Zwei Spielsalons in London

(Der Titel bezieht sich auf A FIELD IN ENGLAND.)

In der Schweiz sind die Spielsalons/Arcades einen kläglichen Tod gestorben, als eigenständige Einrichtungen (ohne Querfinanzierung durch die Gamblingautomaten war da nichts zu machen).

Reist man dagegen ins Herz der Finsternis London existieren sie noch, wie auch die ursprünglichen Arcades in denen alle die Früchte der weltweiten Ausbeutung (des öfteren süsse Kolonialwaren) noch heute gekauft werden können und als Frühstück Hochkonjunktur haben. Immer vorausgesetzt man gehört zur Gesellschaftsschicht, die nicht gerade durch Inflation noch endgültig verarmt – etwa Touristen. Touristen, die unterwegs sind in einer analogen Kolonial-VirtualReality.

In umgekehrter Proportion zur Verarmung wächst dementsprechend die ‚City‘ in die Höhe. Und das auch wenn das Empire nicht mehr 450 mio ‚Untertanen‘ (1/4 der Menschheit) hat, Eisenbahnschienen legt, um möglichst schnell alles (das meiste liegt nun ja schon im British Museum) wegzuschaffen.

Analoge Virtuelle Kolonial Reality Experience (British Museum)

Vieles ist allerdings geblieben: English ist die Weltsprache und von hier startet noch manche Unternehmungen zur Ausbeutung der Welt (Herz der Finsternis) und immer noch unaufklärerisch ist England mit einem König unterwegs. Und selbst an europäischen Parties kann man wieder die perversen Diskurse vom ‚ehrbaren‘ Adel und dem des der Allgemeinheit verpflichteten Königs hören.

London – eine Mechanik

London ist auch hier ein Augenöffner, um diese seltsame – und letztlich gefährliche – aktuelle Manie für (Mittelalter-)Fantasy-Philosophie zu verstehen, in dem Vorbestimmtheitsideen, Helden, Adel, Schicksalsideen, Religionen, Kolonialismus, Leistungsgesellschaft, Hyperindividualismus, Postkolonialismus, Kapitalismus, Politik, Tellerwäscherkarrieren und Demokratieideen ineinander über- und aufgehen. Denn letztlich ist London bis heute nichts anderes – als genau dieser gelebte Mix von eigentlich heute gegensätzlichsten Denk-Traditionen – ein sehr löchriger Magic Circle.

Und da passen dann auch die neuen digitalen Helden*geschichten hin, die man in den Spielsalons, Arcades und deren fantastischen Spielen erleben kann.

Zwei Spielsalons – zwei Motivationsdesigns

Zwei der Spielsalons der Elektronischen Games liegen in London mitten in Soho (Namensherkunft weiter ambigue) – aber sicher waren hier die Arbeiter* zu Hause. Der NO64 liegt in der Seitenstrasse der grössten Einkaufsstrasse von London, der andere nennt sich Las Vegas und liegt mitten im ‚Sündenpfuhl‘ von Soho. Dabei kommen zwei Motivationskonzepte zum Einsatz. Das ältere eher asiastische WalkIn-AllIn-Konzept (LAS VEGAS) und ein neuer Mix, den es in der Form eher selten gab, der Arcade, Bar und Music kombiniert (NO64).

LAS VEGAS – Soho London

LAS VEGAS ist ein klassischer Mix von Motivationsmechaniken.

LAS VEGAS zwischen Bars und Prostitution

LAS VEGAS wird beworben mit sehr viel Spielkultur, die Videogame und Arcade verbindet hier etwa Super Mario und Super Mario Kart GP (Arcade 2005+).

Im Unterschoss befindet sich dann auch die klassische Gamehall. Das Motivationsdesign ist eher an die japanischen Arcades angelehnt. Es gibt alles – was so zum modernen Gaming gehört (gab und gibt es in Japanischen Gamehalls Pinballs? Gibt es japanische Pinballs?).

Ecke Dance-Games – gefühlt 1/2 der Arcadefläche

Die üblichen ‚Kranspiele‘ findet man beim Eingang. Automaten also, wo man durch ‚Geschick‘ noch etwas Analoges (Plüschtiere etc) fürs Geld bekommt. Wobei hier der Gamling-Aspekt (ich gewinne was Grösseres, weil andere nichts erspielen) vermutlich Teil des Phänomen ist.

Gewinne den armen grossen Panda

Das Konzept vom Kranspiel radikalisiert sich in einem „armen“ riesigen Panda. Wobei dessen Erbärmlichkeit schon interessant ist, wenn man bedenkt, dass der Panda auch das ‚Wappentier‘ von China ist und vieles hier japanisch (und chinesisch?) ist. Der Automat spiegelt auch, wie Pandas gerade auch in Asien teilweise gehalten werden.

Airhockey – radikalisiert

Dann in der Mitte des Raums ein Airhockey-Tisch, das den aktuellsten Trend der Gameindustrie Flooding (im Film schon vor Jahrzehnten eingeflossen) der Gegner und damit das Thema Schwarm aufnimmt. Nach dem Verlust der ersten Scheibe, giesst der Automat eine Masse an kleinen Scheiben nach. Wobei jede kleine Scheibe auch einen Punkt gibt beim Versenken! Was das Ganze allerdings mit PacMan zu tun hat, wird für immer verborgen bleiben. Aber sicher ist: Friss sie!

Den Hauptteil der Spiele machen Rythmusspiele aus. Viele dieser Spiele sind rein japanisch beschriftet sind, es scheint sich also hier um Direktimporte zu handeln. Das Publikum war hier eher jünger und gemischt.

Unverhofft trifft man auch auf Games, die es inzwischen auch in kleinerer Version für die Switch mit Trommeln und Schlägern gibt. Dabei wird wieder einmal in Erinnerung gerufen, dass Arcades im Allgemeinen – aber die japanischen Arcades im Besondern – immer radikale Interfaces entwickelt haben (Elektromechanische Arcades miteingeschlossen).

Dann gibt es das eine oder andere sprachlich unzugängliche Spiele.

Ein Teil der Spiele kommt auch sehr abstrakt rüber, was wiederum auch eine gute Sache ist, nach all der Tradition des HyperRealismus in Games.

Als Arcade defiktionalisiert ist natürlich auch Mario (wie im anderen Spielsalon auch) dabei.

Der Trend der „Escape Rooms“ hat aucb hier mit „Dark Escape 4D“ Einzug gehalten. Der Automat passt dabei visuell und inhaltlich perfekt zu London. Es ist dieser Mix von nachgemachten Architekturstilen in London (Römisch, ägyptisch), gepaart mit den eigenen Stilen und Jack the Ripper in einem Automat. Selbstverständlich inhaltlich zersetzt mit dem Horror unserer Tage.

Der Playthrough zum Spiel (Bandai Namco)

Und zu guter letzt ein Versuch auch VR – trotz seiner Betreuungsintensität – als Eierschalenstühle verwertbar zu machen. Während des Aufenthalts hat dies allerdings niemand ausprobiert.

Unverkennbar stehen hier vor allem neue Automaten. Alte Klassiker (ausser dem Airhockey) sucht man vergebens.

NO64 – ARCADE BAR – Soho London

Das Konzept ist schon bei der Bewerbung sichtbar: Eine Bar (mit DJ am Abend) und dazu Games oder umgekehrt – das ist nicht so klar. Von der Fläche her ist Bar, Dancefloor und Sitzgelegeneheiten so 1/3 zu 2/3. Man geht zuerst durch einen langen Gang tief unters Gebäude.

Das Motivationsdesign ist dabei simple, die Leute trinken, hören Musik und gehen dazwischen Spielen, andere spielen auch nur.

An der Bar gibt es konsequent auch Drinks zu den Spielen – ‚Kirby Drinks‘ etc.

Die Auswahl der Spiele ist gemischt und entspricht eher dem europäischen/amerikanischen Spielsalon mit vielen älteren Automaten und auch viel Neuem in einem zu tiefst dunklen und hier versprayten Raum mit Scifi, Spiel- und Popkulturmotiven. Das Publikum ist gemischt von Alter und Geschlecht. Die Auswahl der Arcades bilden das auch ab. Es ist eine Art Raum mit Guckkästen in andere Welten.

Interessanterweise gibt es beim Eingang einen Raum mit RetroConsolen-Raum mit NES, SNES etc Games, wo man aus den existierenden Videogames dieser Konsolen auslesen kann. Hier sitzen auch viele Jüngere rum und spielen angestrengt in Gruppen – Gemeinsames Retrogaming.

Es folgen dann die klassischen sehr lose verteilten Pinballs und Arcade Automaten. Angefangen bei Klassikern. Wobei der Tetris-Arcade interessant ist, da er ein Level basiertes Tetris repräsentiert, das einige interessante Features aufweist (zufällig erscheinende Steine etc. The way of the Arcades – kein Zufall – zu gefährlich für die Spielenden*.).

Aufwändigere ältere Automaten mit viel und komplexen Interfaces (Guns, Automobile etc)

Bis hin zu neu gemachten nun Multiplayerklassikern wie PacMan(Der BattleRoyal-Film und dessen Mechanik kommt auch hier über den Umweg des Spiels auf den Tisch), die mit ihren Multiplayermodes neue Fragen stellen: Was passiert etwa, wenn einer von vielen PacMans eine Pille frisst?

Es gibt dabei diverse Nischen in denen die richtig ‚lauten‘ Musikspiele stehen wie etwa der Automat von Guitar Hero Arcade. Der Automat ist im NO64 sehr beliebt. Ein eigentlich interessantes Phänomen, das in den Arcades weiterlebt.

Viele komplexe Interfaces im Vergleich zum Spiel zu Hause

Sicherlich ist bei beiden Arcades, dass es sehr viele sehr aufwändige und teuere Arcades zu spielen gibt, die man zu Hause nicht so einfach hinstellen kann.

Die zwei Konzepte haben je ihren eigenen Vor- und Nachteile, könnten aber auch in CH wieder funktionieren. Einige ähnliche Konzepte gibt es inzwischen ja auch in CH wieder – hier einfach eher gepaart mit Brettspielen/Gesellschaftsspielen.

Wo spielt die Musik?

Dass die Musik nicht mehr in den Spielhallen spielt (auch als Leitmedium wie davor bis weit in die 90er Jahre hinein) in Sachen Gaming, wird dann nochmals klar gemacht, wenn man in London unterwegs ist. Da läuft dann tatsächlich der Trailer vom neuen ZELDA Minuten lang in aller Öffentlichkeit und dominiert visuell den öffentlichen Raum. Etwas was in vielen anderen europäischen Städten – mit viel Berechtigung – unmöglich wäre in dieser Werbe-Dominanz.

Blendet man noch die nahe gelegenen Musicals und Theater darüber, wird dann auch klarer, dass ja auch ein Grossteil der amerikanischen Kultur ein Exportprodukt aus England ist.

Leider hat auch die grosse englische Hardware-, SoftwareDev und GameDevkultur der 80er Jahre (Homecomputer) als Konkurrenz zu den Konsolen, dann den Reimport aus den USA sowie Japan nicht wirklich überlebt.

Nichts desto trotz ist es wichtig, ab und zu vorbeizuschauen in einem Land, das wie kein andere seine ‚Kultur‘ brutal ‚exportierte‘ und in dessen Herz vielleicht die eine oder andere aktuellere Strömungen aufnimmt bzw. nun aufnehmen muss. Das Empire ist zumindest politisch Geschichte.

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