Die Digitalisierung ist äusserst erfolgreich. So erfolgreich, dass sie ihre eigene Bedingtheit gnadenlos überschreibt mit einem der neuen Möglichkeiten ihrer selbst: Visualisierungen auf Screens, einfache haptische Interfaces, Mocap-Interfaces oder wieder nach Jahren Sprachinterfaces. Dies wird an fast allen Ausstellungen ersichtlich zum Thema wie etwa Planet Digital im Museum für Gestaltung (Kommentar dazu hier https://www.gamelab.ch/?p=7787).
Transparenz in der Informatik
Hier zeigt sich was der Informatik-Begriff Transparenz meint: Es muss niemanden interessieren, wie es funktioniert. Das bleibt verborgen mit entsprechenden Folgen: völlige Anungslosigkeit über die Abhängigkeiten, Gefahren, Werte etwa die vermittelt werden, Algorithmen, die die Welt kontrollieren. Die Kybernetik der Gesellschaft führt sich im Digitalen fort und/oder oszillierend auch umgekehrt, wobei immer unklarer wird, wer hier eigentlich wem Regeln vorgibt und Regelsysteme schreibt. Denn um Regeln und prozessierte Regeln geht es letztlich. Das ist das, was die ‚Weltgemeinschaft‘ zusammenhält. Wen interessiert schon, dass er gerade ein weltweites Open-Source-Projekt ausbeutet beim Aufruf dieser Webseite? (Das von Freiwilligen entwickelt wird? Marktradikale sicher nicht. Und das ist noch der menschliche Layer!)
Das Verborgene und das Verdrängte
Dieses Verbergen ist aber auch das Verdrängte der Digitalisierung und seine Gefährlichkeit. Es wird dabei bewusst verdrängt (und konsequent fehlt vielfach auch schlicht und ergreifend das Personal und damit Knowhow darüber), dass dieser „Quantensprung“ in Sachen Gesellschaft auf die Universalmaschine von Turing zurückzuführen ist. Diese ist wiederum eigentlich ein einfaches Menschendmodells eines Buchhalters oder (7 Jährigen-)Mathematikers* mit Stift. Oder wie man philosophisch sagen kann: Es basiert auf der Nutzung von neuen Automaten-Sklaven den Programmen – digitalen Automaten. (Ebenfalls mehr dazu hier: https://www.gamelab.ch/?p=7787)
Sicherlich muss man nicht soweit gehen und die Geschichte der Digitalisierung als eine weitere Stufe der Kolonialisierung ansehen. Aber auf einer Metaebene geht es eben dann doch um mehr, als um die Oberfläche, es geht darum, was da überhaupt passiert, jenseits der Phänomene. Wie, wer, was kontrolliert. Und hier spielt gerade das Modell von Programmierung eine Rolle, wird es doch zunehmend zum Modell auch für Menschen und der Umgang mit ihnen. Menschen passen sich an Prozesse aus der Informatik an, an das Prozessierbare und nicht etwa umgekehrt (SAP …)
Die Konstanz: Das Dahinter
Digitale Phänome sind die Oberfläche, die sich permanent wandeln und neu werden. Dabei laufen dahinter all die altbekannten Prozesse im Backoffice mit Sprachen die Jahrzehnte alt sind von SQL bis zu Java oder C++. Es ist prozessierter Source-Code oder es ist die Simulation von Neuronalen Netzen in Source-Code, die auf Virtuellen Maschinen und dann auf Prozessoren gerechnet werden.
Wie visualisiert oder breiter macht man dies erfahrbar? Einige Ansätze sollen hier vorgestellt werden.
Die einfachste Variante ist natürlich, die Bedingtheit auszustellen. Den Source-Code daneben zu stellen und zu sagen: Das ist die stillstehende Maschine dahinter. Wäre interessant in Ausstellungen die Programme zu sehen, die Software, die läuft und damit die Bedingtheit zu dokumentieren, statt zu verschleiern.
Oder die Abfallprodukte des Prozesses live verfolg- oder Ausdruckbar zu machen. Anders als in früheren Zeiten, wo immer ein Maschinenraum da war, als Dampfmaschine etc. Fehlt durch die Digitalisierung, Virtualisierung der Maschinenraum fast gänzlich.
Selbstverständlich findet man viele dieser Visualisierungtaktiken gerade in der Medienkunstszene der 80, 90er. Hier wurde ja bewusst gemischt und Struktur sichtbar gemacht
Visualisierung der Maschinchen (Sklaven)
Selbst wenn unser Cursor auf Eingaben wartet wie hier gerade, dann wartet ein digitaler Sklave (Programm) darauf bis wir etwas tun und zwar permanent und immer und unendlich viel schneller, als der Cursor menschlich blinkt.
Ein gutes Beispiel dafür findet sich in einem ‚Computerspiel‘, einem Simulationsspiel von Prozessoren: TIS-100. Endlos wird hier gewartet und Assembler ausgeführt. Dies gibt einen Einblick in die Komplexität und etwa das verschwenderische Warten von uns allen.
LiveCoding im Bereich Musik und/oder die Demoscene – lebener Source-Code
Wie enstehen aber Programme und diese Maschinchen, die uns endlos bedienen und als Services warten? Wie entstehen, die Funsklaven die uns in Games sich jagen lassen und uns jagen? Die Live-Coding Szene gibt hier einen Einblick, hier wird Code und Coding von Musik erfahrbar.
Verschleiernd und ästhetisierend sind sicherlich auch Ansätze von esotherischen Programmiersprachen und ihre Ausläufer wie etwa ORCA. Wobei klar ist, dass esotherische Programmiersprachen in ihrem Ansatz natürlich mit Verfremdung arbeiten und damit indirekt Code, Codekultur hinterfragen und anders zugreifbar machen. Mehr dazu gibt es neben ORCA natürlich auch hier https://esoteric.codes.
Einen weiteren Einblick bietet natürlich auch die Demoscene mit Live-Demo-Codings. Hier wird die Entwicklung auch visuell sichtbar und mit der Zeit immer sichtbarer.
Mehr dazu ebenfalls hier: https://www.gamelab.ch/?p=7750
Interaktiv erfahrbar
Einen Schritt tiefer in Erfahrbarmachung, was da eigentlich passiert, bietet das Spiel Human Ressources, das nicht zufällig beides ist – die Simulation von Programmierung und spiegelbildlich der Prozess der Arbeit und des Aufstiegs . Es handelt sich damit um einen eigentlichen spielbaren Metakommentar (etwa zum Job der Amazon Mitarbeiter):
Defiktionalisierung – Aus Prozessen Gegenstände machen
Dass man Code und Prozesse aber nicht nur visualisieren kann, sondern auch defiktionalisieren zeigt die GameArt von Margarette Jahrmann und Max Moswitzer Ende der 90er schon sehr früh mit Nibble Engine Tools. Sie übersetzen die Datenstruktur zu einem bestimmten Moment des Spiels Unreal Tournament in einen 3D Print und machten ihn fassbar.
http://climax.at/nybble-engine-toolz/
Weitere Möglichkeiten und Diskussionmöglichkeiten
Dies soll mal ein Anfang sein darüber nachzudenken, wie es weitergehen kann, im Nachdenken über die Erfahrbarmachung der Digitalisierung. Die Diskussion dazu (und die Möglichkeit selbst Weiteres hinzufügen) findet man hier:
https://www.vintagecomputing.ch/?browseid=2968
Platz nehmen in der Turing Maschine kann man übrigens auch in TuringsAssemblyLine – hier muss man anstelle von Computern Platz nehmen und Tasks quer durch die Digitalisierung erledigen. Eine anstrengende Sache.