Fitness-/Exergame-Genre
Das FitnessGenre ist ein schwieriges Genre, das weiss jeder der in diesem Bereich schon Games designed hat (sei es Serious oder direkt mit Fitnessgeräten). Das erste Problem liegt in der Motivation – die braucht es nämlich für die meisten FitnessBegeisterten gar nicht, die schaffen es ja auch in ein Gym (Industriell gestalteter Ort mit Maschinen) zu gehen und dort stundenlang an verschiedenen Geräten einfach so zu trainieren. Die Motivation ist also meist sowieso so extrinsisch. Das zweite Problem, die meisten der Trainingsgeräte sind sehr monofunktional – sie trainieren genau etwas und es damit auch sehr schwierig interessante Übungen zu gestalten, drittens die meisten Übungen sind sehr monoton und viertens: die meisten Trainingsgeräte sind recht teuer als Spielgerät.
Neben den banalen Zusätzen wie ‚ich renne/rudere/fahre Velo durch Frankreich‘, gibt es trotzdem immer wieder wieder Ideen, Konzepte oder fertige Produkte, die Videogames implementieren und damit ein anderes Gefühl kreieren oder dann zusätzliche Tasks einbauen wie etwa das Projekt sphery.ch. Dabei ist aber immer die Frage: Wer ist die Zielgruppe, wie weit darf man gehen, verliert man nicht irgendwann die Fitness-‚Freaks‘ und wie seriös muss das Ganze eigentlich sein.
Im Mainstream der Konsolen und Computergames entstehen aber eher selten Fitness- oder Exergames. Zu teuer die Zusatzhardware, zu klein dann doch die Schnittmenge von Fitnessfreaks und -gamern. Es scheint, dass es immer ein Produkt pro Consolengeneration gibt (zählt man die Tanzspiele nicht dazu). Man erinnert sich etwa an die Wii-Fit ein Balanceboard oder die Versuche mit dem inzwischen eingestellten Kinect.
RingFitAdventure – interessante Ansätze
RingFitAdventure ist nun der nächste Anlauf in die Wohnzimmer von Nintendo und setzt dabei die alte japanische Tradition fort im Gamebereich experimentellere Hardware auszuprobieren. Getrackt wird ein Bein per abnehmbaren Kontroller der Switch. Damit trackt das Spiel das Gehen, Laufen aber auch Treppensteigen oder Rennen durch Wasser. Soweit so gut – nichts neues. Allein zu erwähnen wäre, dass das ganze recht gut eingebettet daherkommt.
Drück- und ziehbarer Ring als Zweitinterface – optionale Nebentasks
RingFit gibt aber den Spielenden auch einen Ring (eher Reif) in die Hand, der wiederum vom zweiten abnehmbaren Controller gehandelt wird. Der Ring kann gedehnt und zusammengedrückt werden, dazu nutzt das Spiel selbstverständlich die Vibrationssensoren.
Durch dieses Zusatzgerät wird der Weg durch das mitgelieferte Spiel zu einem echten Spiel. Statt nur durch die Welt zu gehen, ermöglicht der Ring nun das Abschiessen (vertikal halten und zudrücken) von Gegenständen, das Einsammeln (vertikal halten und auseinanderziehen) von Münzen und ! das Fliegen/Weitspringen (horizontal halten und drücken), wenn man den Ring nach unten hält.
Dadurch wird (etwa im Gegensatz zur Wii-Fit) eine Hauptaktivität (Rennen) und optionale Nebenaktivitäten möglich. Dies allein schon steigert die Motivation. Das Ganze wird selbstverständlich dann kombiniert als eine Art JumpAndRun durch Natur- wie Technikwelten. Der Spielende wird sehr clever enhanced.
Adventure und Story
Beim Storymode (auf die anderen soll hier nicht eingegangen werden, das bewegt sich zwar im interessanteren Bereich, ist aber wiederum auch nichts besonderes – ausser dass gekonnt Übungen in Games verwandelt werden) ist dann Nintendo fast schon witzig, so lässt man ein Monster frei, das als erstes ein Paar Liegestütze macht und anschliessend sich immer wieder in Pose wirft, in einem Anzug, der irgendwie nach Leggins ausschaut. Ein Bereich wird ironisiert wie seit BrutälLegend nicht mehr .-)
Prinzipiell ist man unterwegs durch Welten und trifft immer wieder auf kleine Monster bzw. das Obermonster. Nintendo kopiert hier ihren inzwischen stautrockenen aber noch funktionierenden Evergreen SuperMario. Dabei entkoppelt das Spiel aktuelle Fitness und Entwicklung des Charakters: Der Character entwickelt sich dabei je länger man spielt und hängt nicht am aktuellen Fitnessstand.
Kämpfe hin zur intrinsischen Motivation
Interessant wird das Spiel dann bei den Kämpfen. Diese sehen aus wie bei FinalFantasy, Pokemon oder Slay the Spire. Also man kämpft gegen mehrere Gegner (verschiedene Formen, Farben, Health) und hat Attacken. Die Attacken können langsam gesammelt werden und sind eigentlich Übungen (abhängig vom Level). Da ist man dann schon mal mit „Yoga“ gegen 3 Gegner gleichzeitig unterwegs. Es gilt also immer die richtigen Attacken (Farben wie die Gegner) zu finden und dann loszulegen. Selbstverständlich greifen auch die an und man hält dann den FitRing gegen den Bauch und drückt den Ring bis der Schlag abgewehrt ist (Vibration inklusive).
Und hier beginnt das Spiel intrinsisch zu werden – auch strategisch und fittig. Man will als Spielender* einfach gewinnen und dabei steckt selbstverständlich die eigene Kraft als Antrieb dahinter, man lädt quasi die Moves auf. Und ist taktisch unterwegs. Das Spiel bringt einem natürlich auf seiner Hidden-Agenda (Cooldowns) dazu die Übungen zu machen. Nur sind hier die Übungen nur noch Mittel zum Zweck, bald verschwindet dieser HiddenZweck und man ist fast ein bisschen angefixt.
Das Spiel findet damit einen guten Mix zwischen Rennlevels und taktischen Levels. Levels, wo Energie permanent ‚verbrannt‘ wird und Levels, wo Energie ‚aufgebaut‘ wird. Damit schafft das Spiel dann auch jenen schwierigen Move – Moves wirklich aufzuladen – man drückt ja den Ring, lädt ihn auf und entlädt ihn. Man pusht die Gegner geradezu weg. Einige der Moves sind geradezu Gestensteuerung, deren Wucht eben nicht in der Leere des Raums enden. Meine Bewegung quält die Geister, hämmert mit Händen auf sie runter.
Am Ende
Sicher ist dieses Fitness-Spiel nicht das Ende, das was alle Fitness-/Exer-GameProbleme löst, aber es ist ein guter Steinbruch. Letztlich lebt das Spiel geradezu vom Nicht-direkten-Tracken der Arme und vom Auslagern der Armbewegung in ein eigenes Device mit zwei Aktionen. Aber hier macht es letztlich schon sehr viel, sehr gut. Und es lohnt sich die alten mal ausprobierten Konzepte wieder rauszunehmen und nochmals anzuschauen und sich zu fragen: ok warum nicht doch einmal so umsetzen. Sei es endlich PataPong für den WaterRover zu realisieren und und und und.
Wo RingFitAdventure dann noch punktet ist am Ende eines jeden Levels. Da geht man in die Hocke, hebt den Ring zum Himmel, drückt ihn und lädt unter Vibration sich auf zur grossen Pose. Hier verwirklicht / defiktionalisiert sich dann all dieser ‚Müll‘ von Energie, den die Asia-Filme/Games seit Jahrzehnten predigen und ‚man‘ spührt die Energie. Man hat sie reingesteckt. Und dann steht die Pose – nicht so ätzend wie in Fortnite – nein irgendwie banaler und doch realer.
In diesem Sinn ist das Spiel ein Muss für Gamedesigner:innen, auch für die VR-Leute, denn es zeigt, was man mehr machen kann mit VR und der auch dazugehörigen Müdigkeit. Es ist Energie, die da drinsteckt .-)