Das Ende einer Gamemechanik oder TWO AND A HALF MEN 2.0

Wie gute Gamemechaniken aufgebaut sind? Es gibt Hunderte von „guten“ Büchern mit weiteren tausenden von „perfekten, fantastischen und neuen“ Methoden, die der Frage nachgehen: „Wie kreiere ich ein gutes Buch? Ein Filmskript? Ein Game?“ Aber in der freien Wildbahn? 1000nde oder 100rte gute oder interessante Gamemechaniken.
Gamemechaniken erfinden
Die einfachste und älteste  Mechanik-Kreationsmethode vermisst man in diesen „Helpern“ immer wieder und – man kann sie gerade an der populärsten und  bekanntesten Fernsehserien „Two And A Half Men“ (2003+) der jüngeren Geschichte und ihrer Entwicklung „erleben“.
Gegensatz-Regeln als Mechanik (Triebfeder)
Semotisch und kreativ einfach: Man wirft Gegensätze (und spezielle (Nicht-)Gegensätze=Ähnlichkeiten) in einen Pool und kreiert daraus ein (Regel-)Sinnsystem(Sinnsysteme) mit Figuren und Möglichkeiten. Diese Regeln sind in jede Dimension, jede mögliche Abhängigkeit definierbar (nicht nur im Verhältnis, sondern auch in ihrer Zeitlichkeit, in ihrem Verhältnis zueinander). Aus diesem Gegensatz-Regel-Sinnsystem entstehen dann paradigmatische und syntagmatische Regelwerke – man kann sie lesen oder bespielen. Je nach Fokus spielt das Syntaktische (wie etwa bei Zauberberg oder Mafia) oder das Paradigmatische (wie etwa bei  Kafka oder Tetris) mehr oder weniger eine Rolle. Aber in beiden Fällen geht es um komplexe (Regel-)Systeme.
TWO AND A HALF MAN 1.0
Wie ein gut gemachtes Gegensatz-RegelSystem aussieht, lässt sich an TWO AND A HALF MEN 1.0 beobachten: Hier stehen einige Gegensatzpaare als Figuren im Raum und natürlich Regeln, die wiederum verbinden (Ähnlichkeiten). Hauptfiguren sind dabei die zwei Brüder: Charlie Harper (Charlie Sheen) und der alleinerziehende Alan Harper (Jon Cryer) und angehängt sein Sohn. Der Gegensatz Verheiratet und Unverheiratet (-/+) wird noch dramatisiert: enger Raum: Alan und Sohn (Alleinerziehender geschiedener Mann) wohnen im Haus von Charlie am Strand irgendwo in Californien. In diesem Sinn ist immer klar: Der erfolgreiche Herr im Haus ist Charlie und sein Bruder mit Kind eingemietet und geduldet. Charlie und sein Bruder sind auf verschiedenen Ebenen Gegensätze:
– Familie: Charlie will sicher keine  (-) vs Alan möchte seine Frau zurück – er hat durch die Scheidung ’sein‘ Haus verloren (+)
– Beruf: Charlie ist erfolgreicher ‚Songschreiber‘ (‚Kreative‘ Arbeit) vs Alan ist erfolgloser(?) Chiropraktiker (Handarbeit)
– Status, Auto & Sex: Charlie hat ein Haus, grosses Auto und Affäre um Affäre  vs Alan hat einen Hybrid und ist
– Person: Charlie ist direkt und zynisch, lebt sich vs Alan ist verhalten, indirekt, ‚druckst herum‘, kann sich nicht ausleben
man kann diese Liste mit Layern beliebig erweitern. Jeder Semiotiker kennt – und jeder GamedesignerIn sollte es kennen – das Verfahren: Finde Attribute und schaue, ob es Gegensätze gibt bzw. wie diese untereinander vernetzt sind. Demgegenüber stehen Gemeinsamkeiten (die nur im ersten Moment trennen):
– Herkunft 1.0: gemeinsame Mutter, die ausschweifend lebt und mit der sie ein Problem haben (Sie scheint wohlhabend zu sein und ihre Kinder kommen nach allem anderen)
– Herkunft 2.0: sind Brüder (sind aber ganz anders)
– Herkunft 3.0: sie leben mit dem Kind/Jugendlichen zusammen – für den einen ist Neffe für den anderen Sohn, aber für beide ist er ein kleiner (=naiver) Simplicissimus
Hinter dieser Macromechanik verstecken sich dann ein riesiges Feld von Möglichkeiten. Der Storyschreiber oder Leveldesigner kann sich daran bedienen und langsam ein Tableau herausarbeiten (Wie es Foucault in „Ordnung der Dinge“ für das Mittelalter herausgearbeitet hat). Also die Möglichkeiten der aller Möglichkeiten linearisieren. In diesem Sinn sind die Geschichten in Two And A Half Men Realisationen dieser Sinn- & Spielwelt und ihrer Regeln. Der Microbereich ist dann die Realisierung mit ihren Gemeinheiten vor allem von seiten Charlies mit seiner einfachen Logik, während Alan sich durchschummelt und sein Sohn dazwischen ausspricht, was nicht sein sollte. Das Universum ist unendlich erforschbar und bleibt doch immer gleich, gleich in seiner Mechanik.

In Gamemechaniken wie Simpson (rein virtuell) kann dieses Spiel ewig so weitergehen. In Gamemechaniken mit realen Schauspielern werden die Schauspieler älter und gerade der Sohn alterte. Das war zum einen gut (neue Themen) und zum anderen schwierig (wo geht es hin?). Als sich dann bekanntlich Charlie Sheen mit dem Produzenten anlegte, war es zu Ende mit ihm und (was unklar war) mit dieser Gamemechanik. Etwas Neues musste her. Nur wie sollte man dieses Dreamteam ersetzen oder sollte gar eine neue Gamemechanik her?
TWO AND A HALF MEN 2.0

Die Figur von Charlie wurde ersetzt. Als Schauspieler wurde Ashton Kutcher verpflichtet. Das Regelset, das er ausfüllte, könnte er wie bei Charlie Sheen auch tätsächlich privat sein. Die Serie wurde mit dieser Rolle auch aktualisiert und angepasst. Der Neue ist nun ebenfalls eine Art reicher Internet Simplizisimus. Und damit verschiebt sich die das ganze System. Leider funktioniert dieses Regelset nicht mehr annähernd gleich (oder wenn dann visiert man ein anderes Publikum an). Die Logik der Sitcom ist schlicht und einfach dahin. Es sind keine Gegensätze mehr, die man hier findet, aufbrechen, nutzen kann – sondern mehr Gemeinsamkeiten. Und das ist dann eben zu wenig für den Einsatz als Sitcom: Egal was man sieht – man ist immer gleich drin in diesem Regelset. In Two and a half man 2.0 ist man auch immer drin, drin im seltsam unentschiedenen. Es ist eine Gamemechanik ohne Spannung. Am Ende ist Two and a half men 2.0 eine WG von Simplizismi geworden auf verschiedenen Ebenen. Da tut es auch nicht viel zur Sache, dass Alan eine Wandlung durchgemacht hat – einen kleinen Move Richtung Charlie. Aber warum sollte eine Internet-Multimillionär in einer WG wohnen? Dass dies nicht viel hergibt, ist klar. Besser wäre zu sagen, dass dies etwas anderes hergibt.
Das Genre der Fernsehserien
In den Serien gab es in den letzten Jahren eine Verschiebung, statt der klassischen Sitcoms mit zeitlosen Regelsysteme sind zunehmend temporale Regelsysteme entwickelt worden und eingeführt worden. Diese temporalen Regelwerke erlauben das Entwicklen von Figuren und Regelwerken. Dazu benötigt man komplexe = realere Figuren mit komplexen Verknüpfungen. HBO ist ein Beispiel dafür bei Serien wie GameOfThrones, Sopranos oder TheWire entwickelt sich eine Welt und ihre Regeln darin.

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