Früher wurde beim Fernsehen viel gezapped. Das heisst: Es wurde weitergeschaltet, ein anderer Fernsehsender und damit Inhalt gezeigt.
Es war der Versuch Herr oder Frau zu werden über das Massenmedium „Fernsehen“ mit seinem linearen Programm. Es ging von Fernsehsender 1-7 (mehr gab es nicht). Dabei wurde kurz reingeschaut und dann wieder weitergezapped bis die Aufmerksamkeit irgendwo einige Zeit hängen blieb. Es lief ja auch immer öfter Werbung, gerade mit der Einführung der Privatsender. Und es bildeten sich geradezu Sendergruppen, diese synchronisierten dann selbstverständlich auch noch ihre „Werbeunterbrechungen“, so dass es auch da wenig Entkommen gab. Also Sender wechseln, sofort und per „Klick“! Oder war es gar ein „Abschiessen“? Siehe dazu auch Zapping auf Wikipedia >
Der folgende Video heisst zwar „Zappen durch … “ ist aber insofern nicht korrekt, als dass der Controller an der Fernbedienung nie so lange gewartet hätte bis zum Weiterschalten!
Voraussetzung war natürlich die kabellose Fernbedienung – sonst hätte man/frau/teen/kind aufstehen müssen und zum Fernsehgerät gehen. Es sollte so etwas wie die Kontrolle zurückgeben.

Mehr dazu auf Wikipedia >
Der eine Fernseher und der Familienkontext
Besonders traumatisierend war dieses Zappen für alle, die nicht den „Kontroller“ für dieses Spiel „Zap-Spiel“ in der Hand hatten. Diese wurden jeweils abrupt aus dem MagicCircle des gerade Gezeigten herausgeworfen (nach 1 Min, 10 Sekunden, 20 Minuten oder einfach jetzt!). Sie hatten keine Kontrolle. Gerade für Familien war dies ein krass traumatisierendes Ereignis. Da wurde gebetet, noch ein bisschen mehr zu sehen von der Sendung, dem Film, der Serie. Und dann „ZAP“ raus.
Dann war nur zu hoffen, dass bald wieder der Sender mit dem wichtigen Inhalt dran war. Wer einmal jemandem beim TikTok-Konsum länger zugeschaut hat (selbst bemerkt man das eher wenig bei sich), der hat genau jenes ZAP-Gefühl – diese Willkür. Es ist eine Art „Implus“ bei der Arbeit. Der Zuschauer sieht dieses Getriebene, diese Suche nach Kurzzeitsinn und Unterhaltung. Es ist eine nebenstehende Ohnmacht.
TikTok und Co = Totalisierung des Zappens
TikTok und Co machen eigentlich nichts anderes als dieses ZAP-Gefühl kulturell weiter fortentwickelt. TikTok und Co sind eine ‚Professionalisierung‘ und Privatisierung des Zappens. Jetzt hat jeder sein eigenes Gerät, also kommt niemand mehr dazwischen. Zusätzlich sind die Inhalte so kurz, dass sie ein „Ganzes“ bilden. Aber es geht immer noch „Weiter … weiter“ und der Finger juckt, will weiter, Kontrolle haben. Es geht um kurze Sinnfindung. Der Inhalt hat sich natürlich auch zusätzlich nomch „demokratisiert“. Wobei dies nicht ganz stimmt, denn es gab viele Formate auch im Fernsehen, die persönliche Missgeschicke etc, zeigten, einfach gefiltert.
Das Problem hinter dem Zappen behebt aber auch TikTok und Co mit ihren Algorithmen nicht: Es gibt keinen übergreifenden Sinn mehr, nichts das länger hält als 20 Sekunden.
In diesem Sinn: Kleine narrative Spielmechaniken mit ihrem Sinn müssen her, wenn die grosse Erzählung vom „Allen wird es besser gehen“ alias Moderne jeden Tag getötet wird. Wer die Welt nicht verstehen will, der Zapped halt unendlich. Es gibt da kein Gemeinsames mehr – ausser den Folgen des Klimawandels und na ja davor möchten wir ja flüchten. Und die Spielmechanik einer Weltsicht in 15 Minuten einer Tagesschau und Co ist auch längst vorbei. Insofern zappen wir uns die Welt, wie es uns gefällt.
Und der Oberzapper Trump zappt oder TikToked konsequent gerade für uns alle.