Bezieht sich auf folgenden Text von Gleb Albert.
Nach dem Lesen des obigen Textes, ist mir wiederum etwas Interessantes klar geworden. Aber zuerst zum eigenen Verständnis in der damaligen Zeit.
Die Vergangenheit und eine rekonstruierte Perspektive von 1985+
Am Ende der Welt
Meine Geschwister und ich hatten 1987/88 einen Atari ST gekauft (wir kommen von einem Bauernhof am Ende der Welt, unsere Nachbarn wohnten im Minimum 100 Meter von uns entfernt) – das nachdem ich zwei Jahre zuvor alleine in einem Computercamp (damals sah ich eine Mac!) war am Bodensee in Romanshorn.
Das Listing-Game
Wir fingen mit BASIC an, versuchten ein Listingspiel zu veröffentlichen im (vermutlich) „HappyComputer“ oder Atari Magazin – es war ein kleines Multiplayer-Kampfspiel, wo man sich über einen Graben beschiessen konnte. Die Avatar waren sowas wie Smilies. Nicht sehr orginell. Wir brauchten einen Namen – Imp89 von Impression. Wir hatten das Glück, es wurde nicht genommen.
GFA-BASIC und C
Danach haben wir viel GFA-Basic gemacht und auf Weihnachten kriegte ich von meinen Eltern (Landwirte) einen C-Compiler. Ich war damals in der Kantonsschule (Gymnasium in Frauenfeld). Hier an dieser Schule war angeblich die Elite zu hause. Leider wurde mir nie klar, was daran so elitär war – ausser dass die Hälfte aus der „Elite“ von Frauenfeld kam. Das war nicht unbedingt die geistige Elite da an der Kantonsschule Frauenfeld. Vom Land in die Stadt: Es war eher banal, eine Enttäuschung. Technisch: Die Computer waren – PC1s. Ich programmierte Pascal (niemand erzählte, dass das aus der Schweiz kam) kleine 3D Sachen, auch mal ein Programm zur Temperaturmessung für ein Experiment für Bananenschalen, die man vergraben hatte in unterschiedlichen Tiefen – „Wie wirkt sich der Klimawandel aus?“ Eine Zusammenarbeit mit der UniZürich.
Assembler
Aber auch damit (C-Compiler) konnte man leider keine Games machen. Wir kauften Games, versuchten Games per FastCopy zu kopieren und tauschten Raubkopien bzw. hatten am Ende sogar eine Abo (2 Disketten pro Woche? Monat?). Wir luden Games von BSSsen runter. Unsere Kollegen spielten mit Telnet herum (Vater war ITler) und waren dick drin in den MUDs an der ETH (siehe anderen BlogArtikel)
Destruktiv oder konstruktiv?
Dann fing ich mit Assembler an auf dem Atari ST. Ein Kollege hatte einen Amiga und Demos, alles super REDSECTOR, wurde viel gespielt. Die Crackerszene selbst fand ich mässig interessant, ich war eher auf der konstruktiven Seite (Auch hier wieder eine Differenz im System damals an der Basis).
Es wurde viel auf den Nicht-Amigianern rumgehackt (was übrigens auch eine monitäre Sache war, wir konnten uns keinen Amiga zusätzlich leisten) – Identität über alles. Man sah die Zukunft. Aber das was man auf dem Atari ST macheb konnte, war halt nicht so super. Beziehungsweise das war die Zukunft, wenn man sie mit dem PC verglich (DOS! und BatchDateien – keine Maus).
Differenz: Anwender* vs Programmierer* – Machtdiskussion
In meiner persönlichen Welt von damals – an die ich mich hier erinnere (die auch ganz anders gewesen sein könnte) – gab es die Unterscheidung, zwischen denen, die halt mit Computer was machten – spielten oder als Anwender* benutzten (ich schrieb damals per Computer die Protokolle meiner Mutter in der Schulbehörde ab und druckte sie per Schreibmaschine aus) und denen die die Computer programmierten. In diesem Sinn gab es eine weitere Differenzierung innerhalb dieser Welt in der ich mich bewegte. Klare Wertung: Die Macher* (Programmierer*) galten mehr, waren neben dem Informiertsein nicht nur Anwender..
Die nicht wichtige Cracker- und Demoscene im Alltag
Cracker. Mich interessierten die Endprodukte, wie sie funktionierten und nicht so sehr ihre Organisation – wie sie entstanden. (Zu dieser Zeit war mir nicht klar, dass sich die Cracker- oder Demoscene stratifizierte (siehe Glebs Text)). Es wäre mir auch egal gewesen. Ihre Sozialcredits. Zudem gab es in meiner Umgebung auch niemand, der dort dabei war. Die Scene war mehr oder minder nichts mehr als etwas Abwesendes und man staunte über die geilen Demos, die man auf dem Atari ST eher nicht hatte. (Den Begriff Lamer kannte ich in diesem Sinn nicht.)
Ich versuchte also weiterhin Games und Demos zu produzieren. Und mir die Sachen beizubringen. Das war schwierig auf dem Atari ST, weil halt alle Hardwareunterstützung fehlte. Dennoch entstanden Dinge, die zu ’schlecht‘ waren bzw. für die es aus meiner Warte auch gar keine Publikationsmöglichkeiten gab. Das Einzige, was überlebte (und je publizierte wurde) – wie ich später herausfand, war eine Demo, die ich mal für eine bevorzugte BBS (HangLoose) gemacht habe.
Small BBS Intro 1993
Und ja hier kommt die Idee von den neuen Göttern zum Zuge. Interessant dabei die Idee von De Sade „Man muss zuerst zerstören, bevor man was Neues aufbauen“ kann. (Interessant, weil es gerade im Bereich dieser neuen Welten, gar keine Welt im klassischen Sinne gab.)
(Ich habe im Rahmen des CHLudens Forschungsprojektes angefangen alte Disketten zu restaurieren und wieder herausgefunden, was ich so gemacht habe.) Richtig besser wurde es erst, als der ATARI STE rauskam. Hier gab es Digisound und auch Scrolling. Die Demos sehen dann auch ein bisschen besser aus und hören sich vorallem besser an.
Und klar hier war schon die Idee so gut zu werden, wie es die grossen Demos waren.
Hier ein paar – alle unveröffentlichte – Beispiele:
Scrollschrift
Die Schweizer Konkurrenz auf Atari ST – eine andere Liga
Ein bisschen Vektoren
Eine OneScreen Game unter 10k
Ein Mischung aus Game und Demo (STE)
Ein seltsamer Prototyp mit einem Buch und einer Palme:-)
Ein Ball-3D Editor (mit Animation) Richtung RSI-BallDemo
Seltsame „Prototypen“ von Games (STE)
Ein Sokoban (STE)
Und so weiter. Wird alles im CHLUDENS.CH Korpus sein.
Das Ende
Nur das Problem: Die Zeit der Homecomputer war längst abgelaufen und ich hatte Jahre zuvor die Zukunft gesehen: Sie hiess NExT, ein teurer aber revolutionärer Computer. Steve Jobs präsentierte sie – vermutlich 90 oder 91 – an der ETH in Zürich und ich sass irgendwie im Publikum. Ein Kollege hatte sich mit einem Studiencredit einen gekauft und da spielte ich dann ab und zu während LAN-Parties herum. Faszinierend. All das überschrieb selbstverständlich die ganze Homecomputerscene, weil eil hier war alles einfach in einer Hochsprache programmierbar.
Und so stiegen wir (unsere Geschwister) dann auf einen Mac um. Denn eines war klar: Mit diesem „Gelump“ und „Rückschrittigen“ PCs, die alles immer erst Jahre später „erfanden“, wollten wir nichts zu tun haben. Und dort habe ich dann Shareware-Games gemacht, diese kamen unter Impression89 heraus – siehe hier >.
Cracking oder die Demoscene waren damals für mich unwichtig. Denn jetzt war alles einfach per C/C++ machbar. Die Schweizer Demoscene war schon allein mit ihrem Namen „Bünzli“ so abschreckend, weil schon sich „Bünzli zu nennen“ aus meiner Perspektive als Student „bünzlig“ war. Insofern habe ich es nie auf eine solche Party geschafft (evtl. einmal aber das ist unklar).
Die nächste Phase waren Webspiele mit Java. Hier lag meiner Meinung nach die Zukunft. Denn mir ging es nicht um die Beherrschung einer Maschine, sondern ums Gamedesign. Etwas was sich immer mehr auseinander entwickelte. Es war Zeit für die weitere Virtualisierung von Inhalten und Maschinen. Dazu kam der Versuch Spiele als Web2.0 Spiele zu entwickeln, Spielende sollten Levels machen.
Auch das erwies sich als Fehleinschätzung 🙂
Heute – Relabling?
Wenn man nun hier angelangt ist wird klar, dass das die Geschichte eines Lamers in der Welt der stratifizierten und durchgesetzten Cracker-/Demoscene war. 🙂 Ich müsste alles als „Lamer“ labeln. Selbstverständlich war das für mich kein Begriff. Es gab da die „Hexer“, die krasses Zeugs machten, aber ich hatte die auch gar nicht in der Umgebung, war nicht in direktem Kontakt mit ihnen. Man kann auch sagen: Ich hatte Glück oder Pech.
Heute sehe ich natürlich auch noch andere Dinge, wie die Tatsache, dass viele Dinge auf dem Amiga einfach unendlich einfach machbar waren im Vergleich zum Atari ST oder dass ich als Einzelperson letztlich unterwegs war und all diese Szenen hochentwickelte Ökosysteme waren und nur deswegen auch diese Art von Hierarchisierung entstehen konnte. In meiner Umwelt waren die Dinge viel flacher, eher geprägt von „man hilft sich“, weil man halt wenige war.