Die Geschichte der generativen Erzeugung von allem Möglichen wie Bilder, Sound ist lang. Thomas Dreher hat dies schon vor Jahren sehr umfassend hier dargelegt > Und es ist bemerkenswert wie Diskussionen um generative Systeme ohne das Wissen solcher Texte stattfindet! Es wird so getan, als hätte alles vor ein paar Jahren mit ChatGPT und Co angefangen.
Verschmähte generative Kunst 1960+
Die Missachtung alles Generativen hat natürlich eine lange Tradition. Es brauchte nur schon lange bis man Algoart wie Signers ‚Wasserspiele‘ und co überhaupt zuliess in Gallerien. Wenigstens sind diese Pioniere* inzwischen angekommen.
Anders lief es bei der digitalen generativen Kunst ab seit den 60er Jahren. Fast kein Widerhall weder theoretisch noch inhaltlich. Die Argumente waren auch klar: „Das macht ja kein Mensch“ (Als wäre der Code nicht von Menschen gemacht.). Lediglich vor ein paar Jahren gab es einen kurzen Hype, weil die NFT-Scene herausfand, dass man ja mittels generierten Kunstwerken unendlich viel Content erstellen konnte und verkaufen konnte. Das Motto: Jeder kauft sein eigenes spezielles ausgewähltes Kunstwerk.
Das Interessante daran: das alles hat nie eine grössere Masse in der Kultur interessiert, geschweige denn die Gallerien und Museen, geschweige denn die „wissensgenerierenden“ (in Anführungszeichen, weil sie es in diesem Bereich nie taten) Institutionen – wie die Kunstgeschichte oder die Kunsthochschulen. Das Ganze landete immer im Bunker der Vergessenheit – im besten Fall im Museum der „Medienkunst“. Es finden sich weder namhafte Ausstellungen noch Sammlungen in öffentlicher Hand. Die Kunstschaffenden* wurden gemieden und haben irgendwann einfach gesagt: Nee Leute, wenn ihr nicht bereit seid auch irgendwie was mitzubringen für diese Art der Kunst, dann war es das. Das ist umso interessanter, als dass es ganze Abteilungen von KunstMuseen gibt, bei denen ohne Führung man oft gar nicht versteht, um was es da geht. Da wird dann Aufwand betrieben.
Aber für Algorithmen gab es das Verständnis nicht. Niemand* wollte anscheinend die andere Sicht von Maschinen, wollte die Macht der Algorithmen sehen, obwohl diese immer grössere Teile unseres Alltags bestimmen. Eine Kulturelite war nicht bereit diesem Phänomen auch nur ihre Aufmerksamkeitsräume zur Verfügung zu stellen!
Overhype: Generative AI mit menschlichen Daten
Und nun? Nun gibt es erneut generierende AIs und der Hype ist total. Die Zeitungen sind voll. Jede Galerie reisst sich um irgendwas mit AI-Inside. Unkritisch findet der grösste Kitsch anklang bei Institutionen, die beim Wort Medienkunst sich „bekreuzigt“ haben früher. Es ist nun auch keine Medienkunst mehr.
Das lässt sich (siehe anderer Artikel) teilweise damit erklären, dass nun das Interface Sprache und damit menschlich ist. Dieses Interface ist aber letztlich nur die Vorstufe. Viel entscheidender scheint aktuell zu sein: Hinter dem Interface stecken keine abstrakten Algorithmen, keine klaren Regeln, keine menschliche ‚Programmierung‘ sondern letztlich „nur“ menschlicher Content. Man kann fast schon sagen, dass menschlich Unbewusste unserer Kultur.
Denn an BigData trainierte neuronale Netze sind nichts anderes als ‚menschlicher Content‘ gewichtet in digitalen Neuronen (konkreter: Synapsen und Reaktionspotentialen). Sogar die Idee der Technologie dahinter ist biologisch-menschlich inspiriert – die angewandte Technologie der Entdeckungen in der Biologie der 60er Jahre. Der Neurokortex war ein relativ einfaches Modell – das Erkennen einer (blinkenden) Lampe ihr erster Case.
All das scheinen die Leute akzeptieren zu können. Das scheint zumindest annehmbar gut zu sein, ist der Output – selbst wenn sie entgleist (AIs lernen Rechtsextremismus) – so richtig menschlich. Also lieber keine harten brutalen Regeln – lieber kein Anderes.
Aktueller Hype: Anti-Logik
Anders gesagt, die gerade angewendete AI (anders als in den 80er Jahren) ist nicht etwa die entwickelte Logik der letzten tausend Jahre Menschheitsgeschichte sondern das Bauchgefühl. Es geht hier nicht um eine Rationalisierung des Wissens und um eine Theoretisierung des Wissens in Modellen sondern um die BlackBox. Da kann man auch nichts falsch machen, ist letztlich unangreifbar.
War die Logik immer ein Versuch dem Menschen und seiner Irrationalität beizukommen (und das bis weit hinein in die Machtausübung), so geht es hier prinzipiell um etwas anderes. (Und ja natürlich werden auch Regeln in neuronalen Netzwerken abgebildet, aber sie werden eben transparent gemacht, herausgearbeitet.) Man* muss nicht verstehen, wie es funktioniert. Es funktioniert halt. Der neue Sklave AI tut, was man möchte ohne zu wissen, was er tut. Er ist da nicht anders als sein „Master“. Er wird einfach „optimiert“ oder evolutiv so oft zusammengeschlagen (evolutiver Optimierungsansatz) und das Gute („Angepasste“) ausgelesen bis „er“ tut, was man möchte von ihm.
Waren klassische AI Systeme anschaubar regelbasiert, entzieht sich der aktuelle Hype jeder Frage nach Nachvollziehbarkeit. Die blinden Flecken sind gewaltig bei diesem Werkzeug, aber die menschlichen Ergebnisse geben anscheinend immer recht. Die Naivität eines Teils der aktuellen Kunstszene spricht mehr als nur Bände. Aber es sind menschliche Bände, ihnen wird vergeben werden. Sie sind keine Nerds mehr – ihr Betätigungsfeld ist das Menschliche in seiner normierten Gesamtheit.
Human inside (In Anlehnung an Pentium inside)
Und das ist auch einer der Hauptgründe, warum es gerade so ‚rockt‘. Drin ist immer das verwertete Menschliche. Das alltagssprachliche Interface gewährt Zugriff zu menschlichem Content und generiert menschlichen Content. Wer eine AI nutzt um Bilder zu generieren wird teilweise hässlichste Stereotypen kriegen und irgendwie dann doch sagen: Es ist zwar hässlich, aber sowas würde ich auch machen, könnte ich zeichnen. Es kann vergeben werden, es braucht keine Kommunikation des Resultats wie in den klassischen regelbasierten Inhalten. Hier stand auch das Andere, das Nicht-Verständliche auf dem Tisch.
Im Overhype der AI aber, da steckt die menschliche Erfahrung von Millionen von Bildern drin. In einem „Return“ steckt auch die Ausbeutung dieser Millionen von Urhebern* drin und da ja da sind wir natürlich Experten*. Wir kaufen Mode, die unter unmenschlichen Bedingungen hergestellt werden und tragen sie wiederum unter unmenschenlichen Arbeitsbedingungen. Aber mit dieser Art von Auseinandersetzung haben wir uns schon längst versöhnt. Wir brauchen uns nicht zu fragen. Es ist menschlich und das entschuldigt bekanntlich alles.
Die Unnachvollziehbarkeit ist dabei – wie in der Mode auch – ein KeyFaktor. Damit entledigt man sich auch jeder Art von Moral und Ethik. Wie der Markt verbirgt, was passiert, verbirgt auch jede aktuelle HypeAI ihre Art wie sie funktioniert. Fragen Sie mal all die selbsternannten Experten der AI-Nutzung, ob sie wissen, wie die BlackBox funktioniert – im Detail! Fragen Sie mal nach, wer selbst je schon die Grundlage dafür programmiert hat – ein einfaches neuronales Netz. Oder was nun gerade dieses Neuron hier – ja dieses – das ganze wie beeinflusst. Die Cleveren sind dann wenigstens ehrlich und reden von der BlackBox.
Es braucht keine nachvollziehbare Theorie mehr. Es geht einfach. Das ist das Commitment pur – das Spiel. Moral kommt dann irgendwann – die Maschinen sind schliesslich dazu gemacht uns zu gehorchen.
War es in frühen generativen Kunstwerken nachvollziehbar, was passiert und das Ergebnis doch überraschend – zeigte es eine neue Welt, ist es aktuell anders. Viele aktuelle Werke zeigen eigentlich nichts Neues. Können sie teilweise auch gar nicht, da ja nur das aktuell Trainierteste drin steckt. Das ist aber auch nicht weiter tragisch: Denn es ist menschlich in einer „unmenschlichen“ Welt.
Es scheint auch niemandem peinlich zu sein, die übelsten Stereotypen zu zeigen. Was früher gerade mal als – Alltagsgrafik zeigbar war, findet sich in Gallerien wieder. Es soll Kritik am Konsum sein. Nein es ist letztlich Technikkulturkonsum! In Medienausstellungen der 80er Jahre hätte man gesagt: „Hat halt nicht mehr hingekriegt“. Aber all das verschwindet im Pot des Nicht-Nachvollziehbaren und doch so „Menschlichen“. OverhypedAI ist auch eine riesige Ausrede – die menschlichste aller Ausreden.
Gegenwart und Zukunft
Es ist kein Zufall, ist die Modellierung und Theoretisierung unserer Gesellschaft an einem Tiefpunkt angekommen. Wir stehen vor ganz vielen unterschiedlichsten Phänomenen, zu denen wir keine Theorien besitzen oder erarbeitet haben. Der Markt als Theorie hat all dies nicht nötig gemacht. Er würde es schon irgendwie richten. Es spiegelt damit auch, was gerade im AI-Bereich stattfindet. Statt nachvollzieh- und kontrollierbare Technologie verwenden wir zusehends unkontrollierbare AIs. Kontrolle egal – ein undurchsichtiger Layer – wen kümmert es schon. Oben drauf setzen wir dann wieder klassische regelbasierte AIs. Zizek wird dabei vermutlich schmunzeln. Damit entziehen wir uns der Verantwortung, nachvollziehbare Welten zu erstellen. Aus Erfahrung wird per Training ein gewichtetes neuronales Netz, aber das ist eben noch kein Metawissen – kein Modell. Es ist, was es ist, eine hochkomplexe Excel-Tabelle. Oder für griechische Mathematikliebhaber: Es ist eine Zahlenreihe der Sinus, die erst vor ein paar hunderten Jahren zur Formel wurde. Und da müssen wir hin.
Bald regiert mit Donald Trump ein Mann die mächtigste Demokratie der Welt, der genau wie die OverhypeAIs blubbernd Versatzstücke generiert. Alle irgendwie bekannt. Sie ergeben keinen logischen Zusammenhang oder eher: Sie ergeben nur lokal einen logischen Zusammenhang. Ganz so wie generative LLMs ihren Content generieren.
Und ja – eine wirkliche Revolution wird kommen, wenn wir die AIs dazu bringen, nachvollzieh- und anwendbare Regeln zu generieren. Die Frage ist nur, ob dies möglich ist. Das unterscheidet auch uns von den Ameisen. Wobei Ameisen in der Lage sind sich selber zu managen, essen zu finden und zu überleben.