Galactic Empires for Networks (GEn) – a Swiss multiplayer game (1984-2000)
Von Beat Suter
Kann ein Strategiespiel 40 Jahre später noch gleichviel Spannung und Spielspass generieren? Kann ein Netzwerk-Spiel 25 bis 30 Jahre später auf neuen Systemen noch genauso gut funktionieren wie damals? Was unmöglich oder unwahrscheinlich klingt, schaffen drei Schweizer Entwickler mit ihrem Spiel Galactic Empires. Alle drei gehören zu der ersten Generation von Informatik Studierenden der ETH Zürich. Sie haben die Digitalisierung in der Schweiz von Anfang an mitgeprägt. Ihr Multiplayer Spiel hat eine Spieldauer von 4 – 8 Stunden und kann heute noch im gleichen Rahmen gespielt werden, wie damals, als sie mit Freunden ganze Nächte durchgezockt haben.
Der Hinweis kam von einem guten Freund, der in den frühen neunziger Jahren regelmässig Freitag- oder Samstagnacht ein Science-Fiction Strategiespiel in seinem Freundeskreis aus Informatik und Ökonomie gespielt hatte, meist in den Wohnungen und Büroräumen seiner Freunde. Dabei handelte es sich um ein Multiplayer Spiel, das über Jahre immer wieder weiterentwickelt und immer wieder gespielt wurde bis etwa ins Jahr 2008. Die Entwickler und Spieler bezeichneten das Spiel mit GalEmp oder Galactic Empires, später auch GEn, Galactic Empires for Networks.
1984
Eine erste statische Version des Strategie- und Simulationsmodells im Weltall wurde 1984 von Peter Vrkljan auf Apple II entwickelt. Der ETH-Student hattes es in Pascal neu programmiert (cf. Suter 2023). Peter Vrkljan lebte damals in Wettingen, Kanton Aargau, und hatte Ende 1982 mit dem Informatikstudium an der ETH Zürich begonnen. Er gehörte zum zweiten Jahrgang der Informatiker überhaupt. Vrkljan schrieb das Programm im Computerraum des Hauptgebäudes der ETH Zürich, der damals mit ca. 20 Apple II Maschinen ausgestattet war. Dort traf er auf Studierende älterer Semester. Einer davon war Peter Leikauf, den er noch vom Sportverein (Tischtennis) her kannte. Der andere war Jochen Walz, der ebenfalls in die Kanti Baden gegangen war. „Jochen war der Obergamer im Computerraum im [HG] Hauptgebäude der ETH Zürich”, wo Spielen verboten war. “Er schrieb auch das legendäre Druckprogramm, welches alle Studenten an der ETH benutzten”, erzählt Vrkljan (2023). “Wir spielten ein [Space-Simulations-] Game ein paar Mal, und ich beschloss ein benutzerfreundlicheres Spiel zu programmieren. 1984 war es fertig. Es hatte ca. 1500 Zeilen Code.” (ibid.)
Jochen Walz hat dann in den 1990er Jahren aus dem statischen Spiel ein Netzwerk Spiel gemacht, das auf PCs zuerst im eigenen LAN und danach auch übers Internet gespielt werden konnte. Gemeinsam mit dem bereits erwähnten ETH-Absolventen Peter Leikauf, der für seine Doktorarbeit den ersten Preis an der ETH erhielt, hat er das Spiel weiterentwickelt und netzwerkfähig gemacht oder – wie er sagt – neu entwickelt und immer wieder testgespielt.[1] Aus den Testspielen wurden dann regelmässige Spielesessions mit Freunden und Bekannten. Eine Motivation zur Publikation des Spiels auf dem Markt hatten sie in den ersten Jahren nicht. Vielmehr war das Programmieren für sie Fingerübung und das Spielen mit Freunden eine Freizeitbeschäftigung, die Spass machte. Vrkljan sagt: “Wir spielten es meistens mit 6-8 Spielern. Spieldauer war 4-8 Stunden. Typischerweise lud jemand zu sich nach Hause ein. Das traditionelle Menü war Erdnüsse, tiefgefrorene Pizza, Cola und Vanilleglace.” (ibid.)
Multiplayer in Space-Setting
Gemeinsam Spass haben konnten sie vor allem auch, weil GalEmp lange Zeit ein Multiplayer Spiel war, das rundenbasiert auf einem einzigen Computer gespielt wurde und deshalb auch viel Kommunikation und Geselligkeit im realen Raum zuliess oder gar verlangte. Dabei waren Setting und Mechanik ebenfalls sehr attraktiv. In Zeiten von Star Wars auf der Leinwand (Star Wars – Return of the Jedi 1983) und als Verteidigungskonzept der US-Regierung von Ronald Reagan (Strategic Defense Initiative (SDI) 1984) war es ein ideales Konzept, im Universum Planeten zu erobern und Ressourcen zu produzieren, um weitere Planeten einnehmen zu können.
Rundenbasiert hiess, dass die Spieler nacheinander ihren Input geben mussten. Ein einzelner Spieler durfte sich die Zeit zum Nachdenken nehmen, bevor er seinen Input eingab. Dies dauerte zwei bis drei Minuten pro Spieler, insgesamt pro Ausgaberunde aber oft mehr als 10 Minuten. Grundsätzlich ging es im Spiel darum, das Universum zu erobern, also einzelne Planeten einzunehmen und Ressourcen (neue Raumschiffe) zu produzieren. Die Planeten, die man eroberte, haben ihre Ressourcen selbständig weiterproduziert. Am Anfang gab es aber dazu keinen visuellen Output auf dem Monitor. Die eigenen Planeten musste jeder Spieler von Hand auf einem Matrix-Ausdruck (Papier mit Löchern auf den Seiten) mit Lochschutzklebern für Ringordner markieren! Ein praktischer Analog-Hack. Im Grunde war das Spiel nichts anderes als eine Excel-Liste der Planeten und Ressourcen und deren Entwicklung im Zentrum des Spiels. Abgesehen vom Matrix-Ausdruck gab es keinerlei visuelle Umsetzung.
Das Spielziel war damals: Wer kann das Universum beherrschen und möglichst viele Planeten besitzen? Einen Sieger gab es erst, als alle des Spielens müde waren. Später haben die Entwickler dann eine “Force to Win“ Situation eingeführt: Wer so viele Raumschiffe besass wie alle anderen zusammen, der hatte gewonnen.
Die Entwickler und die Spieler
Die ursprünglichen Entwickler von GalEmp waren Peter Vrkljan, Wettingen/Zürich, Jochen Walz, Baden/Kreuzlingen, und Peter Leikauf, Fislisbach/Brugg, alle drei ETH-Studierende der Informatik im Jahre 1982. Jochen Walz wurde 1960 geboren. Er hat von 1980 bis ca. 1987 an der ETH Zürich studiert. Er hat mit Elektrotechnik begonnen und dann, als man das durfte, in die Informatik gewechselt. Den Informatik Studiengang gab es erst ab 1981. Peter Vrkljan ist 1963 geboren und hat im zweiten Jahrgang im Herbst 1982 mit Informatik begonnen. Peter Leikauf, wurde 1958 geboren. Er hat 1986 in Informatik abgeschlossen, nachdem er als Mathematiker begonnen hatte und dann in die Informatik gewechselt hatte. Er hatte mit einem ‘award-winning’ Doktorat abgeschlossen. Alle drei hatten sich damals im Computerraum im Hauptgebäude der ETH kennen gelernt. Und alle drei kamen aus Baden und Umgebung und hatten dort die Kantonsschule durchlaufen. Peter Leikauf war im Typus A, Jochen Walz und Peter Vrkljan im Typus C.
Aktive Spieler aus ihrem Freundeskreis waren vor allem Miroslav Tafra, Baden, Radek Mrskos, Baden, Petr Smely, Zürich (alle Informatiker) und Stanislav Koutek (Ökonom Wettingen). Sie waren an der Weiterentwicklung des Spiels aber nicht beteiligt. Später wurden Thomas Wehlen (Informatiker San Francisco), und Helmut Steurer (Ökonom Wien) ebenfalls regelmässige Spieler von GalEmp.
Die Grundlage von Keypunch Software
Im Computerraum der ETH war es verboten, Spiele zu spielen. Trotzdem haben manche Studenten auf den vorhandenen Apple II Maschinen nicht nur Aufgaben gemacht, sondern auch gespielt. Vrkljan, Walz und Leikauf waren fasziniert von einem Strategie Simulationsspiel, das sie auf einer 5 ¼ Zoll Diskette immer wieder spielten. Dies war dann auch das Spiel, das Vrkljan als Grundlage für ein eigenes Space Strategiespiel diente. Es handelte sich um das Spiel Galactic Empire, das von Keypunch Software auf einer Floppy Disk mit dem Titel „Strategic Simulation“ für Apple II vertrieben wurde – eine Kompilation von vier Spielen. Es war das zweite dieser vier Spiele auf der Floppy Disc mit der Kennzeichnung A10280, Apple II SeriesTM (fig.1). Die Bezeichnung Galactic Empire wurde hier im Singular verwendet. Der Herausgeber dieser Kompilation von Spielen war die US-amerikanische Firma Keypunch Software[2], sie wurde von Paul Rinde in Minnesota gegründet und ist bekannt geworden als einer der ersten Shovelware Vertreiber.
Der Begriff Shovelware wird für einzelne Videospiele oder Softwarepakete gebraucht, die eher auf Quantität als auf Qualität setzen. Die Metapher impliziert, dass „schaufelweise“ Games auf einen Haufen (eine Kompilation) geworfen worden sind, also eine achtlose Zusammenstellung von Videogames entstanden ist. Der Begriff beschreibt aber vor allem die Methode der Software-Verteilung und ist analog zu sehen zu den Verteilungsmethoden Shareware und Freeware. Der Begriff tauchte in den 1980er Jahren auf und hatte seine Hochkonjunktur in den 1990er Jahren, als große Mengen von Shareware-Demoprogrammen auf CD-ROMs kopiert und in Zeitschriften beworben oder auf Computerflohmärkten verkauft wurden.
Figure 1: Abbildung der Floppy-Spieldiskette mit Galactic Empire für Apple II, gekauft vom Autor im Januar 2024 in den USA und nun im Archiv von CH-Ludens. Source: Suter, CH-Ludens
Die Firma Keypunch war wohl ihrer Zeit etwas voraus gewesen. Sie hatte von 1984 bis 1993 Software vertrieben. Das amerikanische Unternehmen veröffentlichte in der Regel günstige Softwarepakete per Post, verkaufte seine Produkte aber auch in einigen Läden. Keypunch Software konzentrierte sich auf die damaligen Heimcomputer Systeme von Commodore 64, MS-DOS, Apple II und Atari 8-Bit (sowie Tandy TRS 80) und veröffentlichte hauptsächlich Videospiele in Form von Shovelware, vertrieb aber auch jede andere Software, die sich verkaufen liess. Keypunch war berüchtigt dafür, Software zu verkaufen, die ihnen nicht gehörte, und zwar in der Regel, indem sie vorhandene Spiele, die als Freeware oder Open Source vertrieben wurden, so veränderten, dass sie wie ein neues Spiel aussahen. In der Regel entfernten sie alle Credits und benannten die Spiele um, damit die ursprünglichen Entwickler das nicht herausfinden würden.
So ist der Ursprung des Spiels über diese Kompilation von Keypunch Software hinaus deshalb ungesichert. Bereits in den Jahren zuvor gab es einige Space Strategie Spiele auf einzelnen Systemen, so war zum Beispiel ein Spiel namens Empire schon 1973 für das Plato System entwickelt worden. Aufklärung könnte man allenfalls von Paul Rinde erfahren.
Die Apple II-Version von Keypunch’s nicht lizenzierter Reihe “Strategy Simulations” enthielt vier Spiele, die alle das Thema Weltraum behandelten (fig.2a). Dazu gehörten Space Trek, Galactic Empire, Star Rebels und Star Traders. Während der Spieler im Spiel Star Trek die USS Enterprise kontrollierte und alle Raumschiffe der Klingonen in den nahen Sternensystemen innert 26 Tagen zerstören musste, konnten in Galactic Empire bis zu 20 Spieler mitspielen. Ihr Ziel war es, in einer zufällig generierten Galaxie in einer begrenzten Anzahl von Runden möglichst viele Planeten zu erobern. Jeder Spieler konnte in jeder Runde eine bestimmte Anzahl von Schiffen auf seinem Heimatplaneten bauen und dann diese Flotte von Schiffen ausschicken, um fremde Planeten zu erobern oder sie zu verteidigen Eine Karte zeigt die Koordinaten der einzelnen Sternensysteme (fig.2b). In den Beispielscreens greift Admiral 1 mit 50 Schiffen einen Planeten in World 11 an (fig.2c). Dieses Vorhaben gelingt und am Ende der Runde hat der Angreifer noch 48 Schiffe (fig. 2c und 2d).
Figure 2 (: Screenshots von der Apple II Floppy Disk “Strategy Simulations” von Keypunch Software.
Das Spiel von Keypunch Software war in Basic programmiert und konnte relativ leicht verändert werden (z.B. Namen und Farben). In einem Youtube Video (jnby 2010) wird das Gameplay des Spiels gezeigt und der Ablauf sehr schön erklärt durch den Retro Gamer jnby. In den Kommentaren dazu geben einige Leute an, dass sie diese Apple II Version ebenfalls gespielt und geliebt haben (fig.3). Zusätzlich muss es aber laut den weiteren Kommentaren noch Versionen von Galactic Empire für TRS80, C64 und DOS gegeben haben. Und viele sind noch Jahrzehnte später äusserst begeistert von dem Spiel. Kommentator @dagwort etwa schreibt:
“Galactic Empire rocked. All-night games in the dorm with the old college gang. I ruled with Clausewitz’s nine principles of war. Not knowing where other players were until your fleets clashed with theirs was the key to GE’s „suspense“. Today’s strategy-game builders refuse to grasp that concept and lard up their games with over-the-top graphics and obese command menus.” (ibid.)
Figure 3: Galactic Empire Setup der 40 Welten als Sternenkarte. Source: jnby Video
Das erste Galactic Empires
Die drei Schweizer Entwickler wollten ein besseres Spiel daraus machen. Peter Vrkljan hat es 1984 zuerst auf Apple II in Pascal neu programmiert. Im Gespräch formuliert es Vrkljan so: „Die Urversion war diese Diskette für Apple II, die du ja gefunden hast. Sie war noch ohne Grafiken. Und ich habe das Spiel dann auf Apple II in Pascal programmiert, mit Grafiken und beweglichem Universum.” (Suter 2024) Vrkljan und Walz bestätigen, dass das Strategie Simulationsspiel von Keypunch Software als Grundlage genommen wurde. Sie hatten aber von Anfang an wesentliche Änderungen eingeführt. Vrkljan listet folgende Neuerungen:
“Graphische Darstellung der Planeten (Produktion, Schiffe, Besitzer)
Rotation dieser Planeten spiralförmig mit Gravitation zur Mitte
Kollision von Planeten (Absorption und Neusetzung) plus Rotation von „kleinen“ Planeten um die „grossen“ Planeten, was die Produktion erhöht (Produktion >10)
Bei Übermacht der Angreifer ergab sich ein Teil der Verteidiger und lief über
Daueraufträge von Schiffen zu Planeten, um die Eingabezeit zu verkürzen
Radar Funktion (graphische Darstellung der Flotten)
Abspeicherung des Spielstandes bei Stromunterbruch oder technischen Problemen
Automatischer Spielabbruch bei Übermacht eines Spielers” (Vrikljan 2023)
Die zweite statische Version für PC (DOS)
Jochen Walz hat dann in den 1980er Jahren eine weitere statische Version für DOS in Turbo Pascal programmiert. Diese zweite Version von Galactic Empires entsprach der ersten Version und war statisch. Sie wurde als Multiplayer gespielt, aber die Spieler mussten ihre Eingaben hintereinander auf dem gleichen Computer machen.
Die drei Entwickler haben 1986 und 1987 ihr Informatik Studium an der ETH abgeschlossen. Vrkljan und Walz begannen in der Privatindustrie zu arbeiten. Leikauf blieb bis 1990 als Assistent an der ETH und doktorierte. Trotzdem wurde Galactic Empires weiterhin gespielt. Es gab auch einige Versuche von Jochen Walz, eine Netzwerk Version für die seriellen Schnittstellen zu entwerfen. Das war am Ende der 1980er Jahre und somit vor der Etablierung des World Wide Webs – also quasi pre-Internet –, und man musste dafür eine eigene Hardware entwickeln. Walz meint: “Wir hatten gar einmal Hardware gebastelt auf der seriellen Schnittstelle. Wir hatten noch auf dem Apple II in 68 Bytes einen Netzwerktreiber geschrieben, den wir dann in die Löcher des Grafikspeichers einstecken konnten. Die Idee der Netzwerk-Version war wesentlich älter als das Internet verfügbar war. Und sobald das Internet ein Thema war für Insider, hatten wir es auch auf dem Internet.” (Suter 2024) Diese ersten Netzwerk Lösungen seien sehr mühsam gewesen, weil jeder Computer ja nur eine serielle Schnittstelle gehabt hatte. Die Hardware und die Kabel der damaligen Versuche mit der seriellen Schnittstelle lagern noch heute in seinem Keller. Ergänzend erklärt Walz in einer E-Mail dazu: “Es gab nie so etwas wie eine ‘Modemversion’. Wir haben da zwar einige Zeit drüber nachgedacht und kleinere Pilotprojekte gemacht (wie das mit der selbst gebauten Hardware an der seriellen Schnittstelle) aber dann darauf gewartet, dass die Zeit reif – sprich die Infrastruktur verfügbar war. Das wurde dann durch zwei Dinge möglich: TCP/IP als Netzwerkschicht und eine grafische Benutzeroberfläche, wie sie seit Windows 3.1, sicher aber mit Windows 95 (released Februar 1995) benutzbar war.” (Walz 2024a)
Vrkljan, Walz und Peter Leikauf hatten nie vor, das Spiel über einen Game Publisher oder via eigenes Marketing zu veröffentlichen und bewerben. Sie hatten sich nicht mit dem Video Game Markt oder der Homecomputer Szene jener Jahre auseinandergesetzt. Das Spiel war in erster Linie für den Freundeskreis gedacht. Das Entwickeln des Spiels war für sie ein Hobby, denn bald einmal hatten alle drei herausfordernde Arbeitsplätze in Logistik Unternehmen, bei Banken und im Rohstoffhandel gefunden. In seiner ursprünglichen Fassung hatte das Spiel nicht einmal einen eigenen Namen oder einen Startscreen erhalten, doch die Entwicklung ging in den ersten zehn bis fünfzehn Jahren immer wieder etwas voran, und es kamen interessante neue technologische Features hinzu, weil insbesondere Walz immer dranblieb.
Das erste netzwerk-fähige Galactic Empires (LAN)
Die von Jochen Walz konzipierte Netzwerk Version von Galactic Empires konnte dann mit den neuen Technologien in den 1990er Jahren auch entsprechend umgesetzt werden. Auf der Grundlage der DOS-Version von Vrkljan entwickelte und designte Walz 1995 eine LAN-fähige Version. Den Client schrieb er selbst auf Windows in Visual Basic. Der Server wurde von Peter Leikauf in Java geschrieben. Walz erinnert sich: “Die Idee, wie das aussehen sollte, stammte eigentlich von mir. Ich hatte mich mit Peter Leikauf zusammengetan. Er hat den Server geschrieben, und ich habe den Client geschrieben. Das war die Arbeitsteilung, aber wir haben sehr vieles zusammen erstellt. Das ganze Konzept und Design stammen mehr oder weniger von mir. Du musst das in zwei unterschiedlichen Umgebungen machen. Der Server läuft auf Linux in Java, und der Client ist Windows und Visual Basic. Das sind also zwei vollkommen verschiedene Welten.” (Suter 2024)
Walz erklärt weiter, dass sie das Spiel von da weg immer über ein LAN gespielt hatten, weil es ein Social Event für den Freundeskreis war. Am Anfang der Session musste sich jeder Spieler zuerst einmal den Client herunterladen und installieren. Dazu musste man sich auch auf dem Server registrieren für Informationen und Ranking. “Es wäre auch übers Internet gegangen, aber wer wollte das schon mit den langsamen Modem-Zugängen?” (ibid.) Pizza, Cola, Glacé und manchmal Burgers hätten stets dazu gehört, denn die nächtlichen Events hätten meist bis in die frühen Morgenstunden gedauert. Und Walz betont, dass die Resultate auch vom LAN her immer auf den zentralen Server hochgeladen worden sind.
Figure 4: Galactic Empires für Netzwerke (2000), Aufnahme des Spielscreens. Im grauen Fenster unten rechts steht “Server angehalten”, dann in der zweiten Zeile: “RM hat Gewinnstärke”. Es wurde auch eine Art von ELO-Ranking (relativer Skill Level eines Spielers) geführt mit einer “Einstufung”. Source: Vrkljan
Die zweite netzwerk-fähige Version fürs Internet
Die neue Netzwerkversion hatte eine andere Darstellung. Die Planetenwelt war nun nicht mehr statisch, sondern bewegte sich in einem Kreis (vorher Ellipse) im imaginären dreidimensionalen Raum um ein Zentrum einer Art Galaxis, während sich die einzelnen Planeten voneinander weg oder aufeinander zu bewegten (fig.4). Diese Version wurde oft in Echtzeit via LAN in einem Raum lokal gespielt. Im Jahre 2000 dann brachte Walz diese Netzwerk-fähige Version auch ins Internet. Diese Version für das damalige Windows XP läuft noch heute einwandfrei. Walz erstellte eine Website mit Informationen, Registrierung und Download Möglichkeit. Das Spiel hatte nun einen öffentlichen Release und war weltweit erreichbar und spielbar. Die Netzwerksoftware für die Internetanbindung hatte Peter Leikauf geschrieben. “Und schliesslich am 26. November 2000”, sagt Vrkljan, ”konnten wir die Premiere der Internetversion feiern. Unsere erste interkontinentale Echtzeit-Spielsession ist mit einem Video dokumentiert (26. November 2000). Die Verteilung war: Wien-Zürich-San Francisco. In Wien sass Helmut Steurer; in San Francisco war Thomas Wehlen; und die Home-Base in Zürich war mit Peter Leikauf, Jochen Walz, Peter Vrkljan, Radek Mrskos, Miroslav Tafra und Petr Smely besetzt.” (Suter 2023) (fig.5-7)
Figure 5: Video Capture des ersten internationalen Spielens von Galactic Empires für Netzwerke am 26. November 2000. Links ist Peter Leikauf, der telefonisch Helmut Steurer in Wien und Thomas Wehlen in San Francisco bei der Installation der Software unterstützt, rechts ist Petr Smely bei der Vorbereitung. Source: Vrkljan
Figure 6: Miroslav Tafra (links) und Radek Mrskos (rechts) beim ersten internationalen Spielen von Galactic Empires für Netzwerke am 26. November 2000. Source: Vrkljan (Video Capture)
Figure 7: Peter Vrkljan beim ersten internationalen Spielen von Galactic Empires für Netzwerke am 26. November 2000. Source: Vrkljan (Video Capture)
In einer Ergänzung bemerkt Jochen Walz dazu, dass dieser ‘internationale Event’ in den frühen 2000ern nicht ein Beginn, sondern so etwas wie der (vorläufige) Endpunkt des Ganzen war. “Wir haben GEn jahrelang vorher im LAN gespielt, aber in der genau gleichen Konfiguration und nur deshalb, weil’s halt ein ‘Social Event’ war. Auch hatten nicht alle die entsprechende Internetanbindung daheim zu der Zeit. Gegangen wäre es auch online und ich hab auch ein paar Spieler in der Datenbank, die ich gar nicht kenne und die sich in der Zeit von ausserhalb angemeldet haben. Es gab übrigens in der Zeit sogar Netzwerk(game)server, auf denen jeder mit Internetanschluss gegen die Roboter spielen konnte. Das ist auch passiert.” (Walz 2024a) Neben der englischen und der deutschen Version gab es damals auch noch eine dänische und eine finnische Fassung. Sprachversionen liessen sich relativ einfach erstellen. (ibid.)
Die Website für GEn Galactic Empires for networks
Auf Anfrage von Peter Vrkljan hat Jochen Walz am 8. September 2023 die alte Website zu Galactic Empires nochmals hochgeladen (fig.8). Die Website aus den Jahren um 2000 war also wieder für kurze Zeit im Netz zu finden. Aus Sicherheitsgründen hat sie Walz (fig.9) dann wieder entfernt. CH-Ludens besitzt aber nun eine archivierte Fassung der Website mit allen statischen HTML-Seiten.
Figure 8: Titelbild für Galactic Empires for networks von der Website. Source: Walz, CH-Ludens
Jochen Walz erklärt in einer Mail an Peter Vrkljan vom 8. Sept. 2023:
«Galactic Empires gibt’s noch immer – fast unverändert seit Jahrzehnten, aber immer noch lauffähig. Und das obwohl sich der Unterbau doch massiv verändert hat. Entwickelt wurde das damals für Windows XP und so Browser wie Netscape Navigator, wie ich zu meiner eigenen Belustigung gerade gelesen habe. Ich verdresch noch regelmässig ein paar Robots – allerdings mit dem Server im LAN hier bei mir (also nicht ad hoc von aussen verfügbar).»
Figure 9: Jochen Walz beim ersten internationalen Spielen von Galactic Empires für Netzwerke am 26. November 2000. Source: Vrkljan (Video Capture)
Und Walz fährt weiter:
«Und auch die uralte Webseite läuft noch. Hab sie gerade noch mal unter […] hochgeladen – dort wo sie auch ursprünglich war. Kann man sich also anschaun. Ein paar minimale Glitches sowie falsch dargestellte Sonderzeichen oder eine leicht andere Darstellung in nem modernen Browser hats – aber auch erst beim näheren Hinschaun. Und auch die ganze Funktionalität mit dem Einloggen / Registrieren geht bewusst nicht mehr. Das entspräche nicht mehr meinen Sicherheitsanforderungen und auch nicht den aktuellen Datenschutzgesetzen. Möglich, dass ich sie aus diesen Gründen nicht lange online lasse…»
Die Website selbst beginnt mit einer deskriptiven historischen Begrüssung der Besucherinnen und Besucher.
“Welcome!
A long time ago in a galaxy far away… more precisely, at the Zurich Federal Institute of Technology (ETH) in the early 80’s, there was a game called „Galactic Empire“ being played on the legendary Apple II (thanks, Steve!). It was about planets and fleets and admirals in space… Although it didn’t offer any remarkable user interface (according to the limited technology of that time), it showed a very special kind of fascination which hardly could have been foreseen by the author. The original game has disappeared long time ago, but a group of enthusiasts created a PC-version, still without networking (instead the keyboard was passed among the players!). Nevertheless, those enthusiasts have met for game-sessions regularly during the last 20 years!!! And now (after having talked about it for a decade), we proudly present a modern network version with all the gimmicks to be expected from a multi-user-game those days. However, the charm of the original game has remained and is only emphasized by today’s technology – and the game is still fundamentally simple and thrilling. This is no surprise because it has a lot to do with some elementary principles of human life: greed, fear, patience, risk-taking, diplomacy, fighting, logistics, stamina, …
Galactic Empires is a multi-user-real-time-strategy game, where a bunch of space admirals commanding worlds and warships try to conquer the universe. It is meant primarily to be played among human players (half a dozen is about optimal). The purpose of this website (called „registry server“) is to register players, schedule games, provide a ranking system and distribute the newest software. Though playing is most fun against friends (who, however, might turn into enemies…), it is also possible (and meaningful at the very beginning) to compete against a bunch of robot players.
This page leads you through the process of becoming an admiral – step by step. I recommend that you try everything out immediately while reading this tutorial. And yes – the game is free and just for fun – although experience shows that there is an inherent danger of addiction…” (Walz, Website Galactic Empires 2000 – 2024) (fig.10)
Figure 10: Startscreen der Website, wie sie sich 2024 präsentiert. Source: Suter
Weiterentwicklungen
Im Spiel selbst geht es wie in dem Intro beschrieben um Planeten und um Flotten, die man verschicken kann. “Wenn die Flotten zu einem eigenen Planeten gehen, verstärken sie deine Flotte. Wenn sie zu einem fremden Planeten gehen, dann gibt es eine Schlacht – und dem Gewinner gehört dann der Planet. Das ist das Grundkonzept des Spiels. Und die Planeten produzieren kontinuierlich Schiffe” erklärt Walz, während er das Spiel in seiner Wohnung auf zwei Computern startet. “Ich hatte auch eine Vorgänger-Version, indem die Planeten Schiffe und Waffen produziert haben. Der eine Planet hat mehr Schiffe produziert, der andere mehr Waffen. Mit dem Überschuss konntest du dann handeln. Dort hatte ich quasi die Komponenten eines Abenteuerspiels drin. Es gab dann auch Händler, die dich übers Ohr gehauen haben. Und das ist der Gund, warum sich das Spiel [in jener Version] nicht durchgesetzt hat. Einer unserer regelmässigen Spieler ist als erstes zu einem Händler gekommen, der ihn übers Ohr gehauen hat. Und dann hat es ein grosses ‘Zeter und Mordio’ gegeben. Seither haben wir dieses Spiel nie mehr gespielt. Das war noch in der Vor-Internet-Zeit.” (Suter 2024)
Walz fährt fort: “Peter hat die Grafik eingeführt: das mit dem Universum und mit den runden Planeten. Das habe ich aufgenommen. Aber auch bei der Grafik habe ich es ein wenig anders gemacht. Beim rechteckigen Bildschirm in Fullscreen hast du von Anfang an ein Problem, wenn deine Planeten in eine Ecke platziert werden.” (ibid.) Das Universum wurde dann auf einer Ellipse platziert. Aber auch bei einer Ellipse hat der eine Spieler mehr Hinterland hinter sich, der andere weniger. Vrkljan: “Da sind also die Startpositionen nicht äquivalent. Jochen hat das dann kreisförmig gemacht.” (ibid.) Mit dem kreisförmigen Universum waren die Anfangsbedingungen dann für alle gleich. In Vrkljans ursprünglicher Version wurden die Rotation und die Kollision der Planeten zuerst berechnet und sind erst nachher nach allen Eingaben auf einen Schlag so gesetzt worden. So hat das Spiel jeweils einen Sprung gemacht. Walz: “Du konntest die Bewegungen der Planeten nicht wirklich voraussehen. Es war relativ chaotisch, und es ist dann sprunghaft etwas passiert.” Die wesentliche Neuerung von Walz war eine kontinuierliche Bewegung der Planeten in Mikroschritten. So hat sich das Universum kontinuerlich bewegt und war damit voraussehbar geworden.
Vrkljan: “Von der Rechenleistung war das vorher nicht möglich gewesen. Alle haben ihre Eingaben gemacht, und du berechnest die nächste Runde, das hat zwei Minuten gedauert. Mit der höheren Rechenleistung konnte man das dann permanent in Echtzeit machen. Das heisst, die Berechnung dauerte noch ein paar Millisekunden.” (ibid.) Ein kalkuliertes Mass an Chaos sei aber ebenfalls wichtig gewesen, meint Walz. Er führte dann ein, “dass sich die Planeten um ein Zentrum drehen, so wie sich die Planeten im Weltraum auch um ein Zentrum drehen – nach dem Keplerschen Gesetz. Das heisst, die äusseren Planeten bewegen sich langsamer als die Inneren. Die Erde braucht ein Jahr, der Jupiter 5 Jahre. Das produziert schon etwas Unordnung im System, weil irgendwann ein innerer Planet an deinem äusseren Planeten vorbeizieht. […] So kommt man sich zwangsläufig in die Quere, und das produziert eine gewisse Spannung fürs Spiel.” (ibid.) So ist die Reisezeit der Flotten nicht gleich lang, wenn sich die Planeten aufeinander zu und voneinander wegbewegen. Das muss bei Entscheidungen mitberücksichtigt werden. Walz: “Der richtige Zeitpunkt wurde ein wichtiger Faktor. Das nächste neue Bewegungsmuster war eine langsame spiralförmige Bewegung nach innen, wobei du diese Bewegung erst später wahrgenommen hast, weil sie so langsam war. Und wenn Planeten ineinander gecrasht sind, dann sind sie nach einem bestimmten Algorithmus wieder neu gesetzt worden oder ganz verschwunden.“ (ibid.) Vrkljan: “Aber du konntest einen Crash voraussehen. Du wusstest, es wird Zeit, von dem Planeten zu verschwinden. Und der Unterschied zur statischen Version war, dass das ganze Umfeld dynamisch war. Im statischen Spiel wäre dein Vorteil zementiert gewesen, im dynamischen Spiel musstest du ihn clever verteidigen oder dir einen anderen Vorteil suchen. Du warst gezwungen, Entscheidungen zu treffen. Und jemand, der nur ‘herumhockte’, der hatte keine Siegeschancen. Du hattest auch das Risiko, dass du einen schlechten Entscheid fällst, das machte es aber interessant.” (ibid.)
Und es läuft heute noch perfekt!
Walz startet Galactic Empires auf zwei Computern und referiert dazu. (Walz 2024) “Ja, der eine Computer hat Windows 10, der andere läuft auf Windows 11. Und das sieht fast so aus, als wäre es neu. Da bin ich stolz drauf. […] Ich behaupte nach wie vor: Gute Software braucht keine Updates. Jedes Update ist ein Zeichen von nicht gut geschriebener Software! Ein Update, das Fehler behebt, ist einfach auch ein Zeichen von schlechter Software. Und ich bin rasend stolz darauf, dass mein Spiel keine Updates benötigte. Nochmals: das Spiel wurde auf XP entwickelt und lief auf allen Zwischenversionen, ohne es anpassen zu müssen.” (Suter 2024) Alle Funktionen seien voll konfigurierbar, die Planetenbewegungen, die Schlachten, die Flotten. Dazu hat Walz auch noch einen ‘Fog of War’ eingeführt, der wesentlich zur Spannung beiträgt. Ein Spieler sieht nur einen Bereich um seine eigenen Planeten herum. Jeder neu eroberte Planet vergrössert aber den Sichtradius. Schlachten, die sich ausserhalb des sichtbaren Bereichs abspielen, können aber wahrgenommen werden.
Zusätzlich hat das Spiel einen ‘Spectator-Modus’. Walz: “Du konntest einfach nur als Zuschauer einloggen. Oder wenn du verloren hast, dann bist du automatisch zu einem Spectator geworden. Du konntest nichts mehr machen, aber du hast dann alles gesehen, nicht nur einen Bereich des Universums. Vielleicht ist das vergleichbar mit den Übertragungen von Live-Spielen, wie das später Giga TV und heute Twitch machen. […] Manchmal waren nur noch zwei im Spiel, aber weil es spannend war, gingen die anderen nicht heim, sondern schauten einfach weiter zu, was passiert.” (ibid.) Man kann das Spiel aber auch allein spielen. Walz hat dazu verschiedene Robots programmiert, die mit unterschiedlichen Taktiken selbständig spielen. Im gestarteten Spiel sind neben den zwei Spielern auch vier Robots präsent. Es sei gar nicht so einfach, gegen diese Robots zu spielen. Die KIs fühlten sich auch heute noch gut an. “Beide Spieler sowie die Robots versuchen sich jetzt auszubreiten. Und irgendwann werden sie aufeinandertreffen und dann beginnen die eigentlichen strategischen Battles.” (ibid.)
“Am Anfang geht es nur darum Neuland zu erobern. Das sind neutrale Planeten, auf denen siehst du überhaupt keine Informationen. Das sind Planeten, die dir oder jemand anderem gehören. Deine eigenen Planeten haben sichtbare Informationen: einen Namen, also I4 oder I2. In der Mitte siehst du die Anzahl Schiffe auf dem Planeten, hier 316. Und unten ist die Anzahl Schiffe, die pro Minute neu produziert werden, hier 15. Du kannst jetzt deine 316 Schiffe auf einen anderen Planeten schicken.” (ibid.) Die Bewegung der Flotte wird sichtbar mit kleinen Punkten und Linien. Die Robots spielen unterschiedliche Strategien, Robot U (Up) versucht sich am oberen Bildrand festzusetzen, er ist aber noch für alle verborgen. Der eine Spieler sieht 8 Planeten in seinem Bereich, der andere Spieler sieht 7 Planeten. (Walz 2024) Das ändert sich aber bald mit der Eroberung einiger neutraler Planeten. Insgesamt besteht das Universum aus 80 bis 100 Planeten. Walz: “Ich spiele jeweils gegen 10 bis zwölf Robots, das ist dann heftig. […] Es gibt noch die Komponente des Dauerauftrags. Dann musst du die Flotten nicht einzeln rumschicken, sondern zusammenziehen, du automatisierst das Ganze. Aber auch ‘Order’-Netzwerke sind nicht so trivial. Du musst das manchmal auch adaptieren. Du kannst dir also deine Strategie so planen und dann mittels ‘Orders’ umsetzen.” (Suter 2024)
Figure 11: Das Interface von Galactic Empires während des Spiels am 27. September 2024. Oben rechts das kreisrunde Universum mit Planeten, die für einen Spieler sichtbar sind. Source: Suter
Das Interface des Spiels besteht aus mehreren Feldern oder Fenstern (fig.11). Das grosse Hauptfeld rechts oben zeigt mit einfacher Grafik das Universum mit den sichtbaren Planeten. Der Spieler mit den weissen Planeten sieht in seinem Sektor mehrere fremde graue Planeten und drei fremde grüne Planeten. An zwei Stellen, die durch ein rechteckiges Feld mit Zahlen gekennzeichnet sind, finden Kämpfe um Planeten statt. Links von der Karte befinden sich Felder mit einer Liste der Welten und Schlachten sowie eine Lister der Flotten. Darunter sieht man eine Kurvengrafik mit der History der Flotten. Und unter der Grafik mit dem Universum ist ein Chat zu finden, der es den Spielern erlaubte, online miteinander zu verhandeln oder einfach Kommentare zu Spielzügen zu machen. (Walz 2024) Ein Zuschauer erhält in allen Feldern nicht nur die Information eines einzigen Spielers, sondern gleich aller Spieler. Er hat also alle Informationen des Universums in der Übersicht.
Die Grafik stammt an sich noch aus der Anfangszeit des Spiels. Vrkljan: “Wir hatten die Grafiken auf der Apple II Version noch mit Bitmap editiert. Du klatschst einfach eine Bitmap rauf, kein Programm. Darum ist das auch versionsunabhängig.” Die Fonts hat Walz selbst als Bitmap-Font kreiert, 5×7 Pixel. Gut leserlich. Die Bitmap Grafiken mussten nicht ersetzt werden. Die Grafik ist also überhaupt nicht mehr zeitgemäss, trotzdem bietet sie eine übersichtliche Spielwelt. Das gesamte Interface kann heute auch vergrössert werden und muss nicht mehr nur in der Laptop-Screen-Grösse der 1990er betrachtet werden. Walz fährt fort: “Das Endspiel würde sehr lange dauern, deshalb habe ich auch noch ein Abbruchkriterium eingeführt: wenn du ca. 50% aller Schiffe – 2.5 Mal die Schiffe des zweiten – besitzt, dann hast du gewonnen. Du kannst aber trotzdem noch weiterspielen, wenn du das wirklich tun willst.” Und Vrkljan ergänzt: “Und sobald das Spiel fertig ist, wird das Ranking auf dem Server aktualisiert. Dann bekommst du deine ELO-Punkte für die Weltrangliste.” (ibid.)
Figure 12: Galactic Empires mit zwei Spielern auf zwei Computern im September 2024. Gut erkennbar sind die unterschiedlichen Bereiche des Universums, die die einzelnen Spieler sehen. Source: Suter
Man kann das Spiel auch heute noch spielen, über WLAN in Jochen Walz Wohnung (fig.12). Die einzige Voraussetzung, einen Windows Laptop mitzubringen. Dann ist es möglich, sich den Client vom Server herunterzuladen, sich zu registrieren und mit dem Spiel zu beginnen. Walz sagt, dass es auch möglich wäre, Galactic Empires über das Internet zu spielen, dazu müsste er aber zuerst die Firewalls anders konfigurieren, und diesen Aufwand möchte er nicht mehr auf sich nehmen. Aber Vrkljan und Walz sind sich einig, dass es bald weder eine neue Session geben soll.
Peter Leikauf
Peter Leikauf (fig.5) war der Älteste der drei Entwickler von Galactic Empires. Er wurde 1958 geboren, ist in Fislisbach (AG) aufgewachsen und hat in Baden die Kantonsschule des Typus A besucht. An der ETH begann er in der Mathematik, wechselte später in den neuen Studiengang Informatik und schloss 1987 mit einem Doktorat ab. Leikauf hat in den 1990ern die Server Anbindung für die Netzwerk Version von Galactic Empires in Java geschrieben. Manche der nächtlichen Spielesessions haben im Büro der BZ Informatik von Peter Leikauf stattgefunden. Walz und Vrkljan können sich nicht erinnern, dass Leikauf weitere Spiele programmiert hat. Leikauf hätte überragende Fähigkeiten gehabt, sagt Walz, er sei aber nicht der Designer und Konzeptentwickler gewesen, sondern einer, der immer alles perfekt umsetzen konnte. Nach dem Jahre 2000 sind Walz und Leikauf zusammen noch einmal zurück an die ETH gegangen und haben ein Semester lang eine Vorlesung zu neuronalen Netzwerken besucht. Leikauf hatte seit 1985 bei der BZ Bank die Informatikabteilung mit aufgebaut. Diese BZ-Informatik wurde aus der BZ Bank herausgelöst und später zur unabhängigen Firma Avaloq, die eine Standard-Software für Banken entwickelte. Die Firma Avaloq wurde zu einer der wichtigsten Schweizer Banken-IT-Entwicklerin und ist seit den 2000er Jahren weltweit tätig. Leikauf hatte als Gründer von Anfang an eine Beteiligung. Die Firma hat 2019 alle Schweizer Raiffeisenbanken auf ihr neues Softwaresystem Rainbow umgestellt. Sie arbeitet zudem auch für internationale Grossbanken wie HSBC. Und dann im Jahre 2020 wurde sie an den japanischen Konzern NEC verkauft für 2,2 Milliarden Dollar.
Jochen Walz
Jochen Walz (fig.9) sagt, er habe bereits für den Texas TI 59 (ein programmierbarer Taschenrechner mit LED-Display und magnetischer Speicherkarte) ein Spiel gemacht mit dem Namen Hamurabi. Er habe auch Patiencen gemacht. Und er hätte auf dem Apple II damals ein Spiel gemacht, das er Gosh genannt hatte. Walz: “Da ist es darum gegangen, Burgen zu bauen, und diese Burgen hatten Einfluss auf die Nachbarburgen. Es sah aus wie ein Schachbrett, du konntest bis zu drei Burgentürme draufsetzen. Jeder Turm übte einen Einfluss aufs Nachbarfeld aus. Wenn jetzt auf dem Nachbarfeld eine Burg eines Gegners war, war das ein Einflusspunkt. Konntest du noch einen zweiten Punkt machen, dann war seine Burg weg. Man konnte abwechslungsweise einen Turm setzen und auf diese Art musstest du versuchen, strategisch zu spielen.” Vor ein paar Jahren hat Walz dann noch ein Remake in JavaScript für den Browser gemacht. Das Remake hatte aber ein neues Feature analog zu den Robots: “Ich habe Engines eingebaut, die gegen dich spielten. Eine dieser Engine hat mich aber so aus dem Universum gepustet! Ich hatte keine Chance.” (ibid.) Darauf hat er nicht mehr gross daran weitergearbeitet. Die Idee war, dass jeder Spieler seine eigene Engine machen kann und dann treten diese Engines gegeneinander an. Man würde also nicht als Spieler, sondern als Engine Programmierer antreten.
Walz sagt, er hätte noch weitere Sachen programmiert in den Jahren 1980 bis 1984, das meiste davon in den Computerräumen der ETH. Darunter zum Beispiel eine Simulation des solaren Planetensystems, das auch Inspiration für die Planeten in GalEmp war. Walz hat nach dem Studium zumeist als Unternehmensberater gearbeitet, bei Firmen wie Steinbeck Logistics, NCR und der BZ Bank. Seine eigentliche Kompetenz sei die Organisation oder Re-Organisation gewesen. Er hätte an manchen Orten als Troubleshooter gedient und insbesondere auch Buchhaltungen umgekrempelt, so dass das Unternehmen mit den Veränderungen wieder auf die Beine fand. Seine eigene Firma hatte Bestand bis 2014.
Peter Vrkljan
Peter Vrkljan (fig.7) ist in Wettingen aufgewachsen. Er ging wie Jochen Walz ins Naturwissenschaftliche Gymnasium Typus C an der Kantonsschule Baden. Er begann 1982 das Studium der Informatik an der ETH Zürich und traf dort wieder auf Jochen Walz und Peter Leikauf. Vrkljan besuchte die Vorlesungen von Informatik Pionier Niklaus Wirth. Er sagt, dass der Computerraum der ETH 1982 mit Apple II Computern ausgestattet war. Diese wurden ca. 1985 von Apple MacIntosh Maschinen abgelöst. Und dann wurde einer der Computerräume vollständig mit Lilith Stationen ausgestattet. Vrkljan sagt weiter, es seien etwa 10 bis 15 Liliths dort gestanden, und er hätte seine Diplomarbeit 1987 auf einer Lilith geschrieben in dem hervorragenden Textverarbeitungssystem von Niklaus Wirth. Seine Arbeit hatte er zum Thema Netzwerk gemacht, da das etwas ganz Neues mit Zukunft gewesen war und damals noch keine Kurse oder Vorlesungen dazu bestanden hätten. Nach dem Studium arbeitete Peter Vrkljan 15 Jahre im Rohstoffhandel und war später auch im Immobilienhandel in Osteuropa (bis 2005/06 in Kiew, Ukraine) tätig. Heute arbeitet er für einen Investment Fund sowie eine Anwaltskanzlei in Zürich, die Stiftungen und Funds berät.
Vrkljan hatte zu jener Zeit allein auch noch ein zweites Spiel entwickelt: ein komplexes Strategie-Simulationsspiel, das den Handel mit Metallen zum Thema hatte. In: Metal Trader gab es Inseln mit Eisenerz und Öl als Ressource. Die Spieler hatten eins bis viele (7-10) Schiffe, mit denen man die Ressourcen transportieren musste. Man konnte mit den Erzen und dem Öl Handel treiben. Das Spiel hatte dazu eine Spot- sowie Terminbörse für die einzelnen Rohstoffe. Der Computer war „Market Maker“ und stellte die notwendige Liquidität zur Verfügung. Es konnten auch Kredite aufgenommen werden. Dazu mussten Zinsen bezahlt werden. Barvermögen wurden entsprechend verzinst. Das Ziel war durch Ausbeutung der Ressourcen und cleveren Handel zum Multimillionär zu werden. Vrkljan hatte das Spiel in Turbo Pascal für die DOS-Plattform programmiert. Das Spiel sei aber ein Prototyp geblieben, vor allem, weil es etwas zu komplex war. Es hatte keine grafische Visualisierung und bestand nur aus excel-ähnlichen Tabellen. Das grosse Problem wäre aber beim Spielen hervorgekommen. Beim Spiel im Freundeskreis hätte jedes Mal Vrkljan selbst oder der Computer gewonnen. Das hätten seine Freunde nicht goutiert. Sie hätten nicht mehr Metal Trader spielen wollen, und er hätte darauf die weitere Entwicklung eingestellt. Der Prototyp soll ungefähr im Jahr 1990 kreiert worden sein.
40 Jahre Galactic Empires
Im Gegensatz zu Metal Trader dürfe man das Strategie Simulationsspiel Galactic Empires aber nicht als unveröffentlichtes Spiel oder Prototyp bezeichnen. Walz und Vrkljan weisen bei der Spieldemonstration Ende September 2024 mit dem Autor dieses Textes 40 Jahre nach der Apple II Version darauf hin, dass ihr Spiel zumindest in der fertigen Netzwerk Version von Walz und Leikauf einen öffentlichen Release hatte und somit nicht nur in einem Freundeskreis gespielt werden konnte, sondern an sich weltweit. Dies ist auch geschehen. Grundsätzlich könne man drei Entwicklungsstufen, bzw. drei unabhängige Spiele erkennen: 1. eine erste Apple II Version als lokaler rundenbasierter Multiplayer, die auf einem einzigen Computer gespielt wurde. 2. Eine LAN-fähige Version, die mit mehreren Computern in einem LAN-Netzwerk mit Serveranbindung gespielt werden konnte. Und 3. Eine Internet-Version, die über Browser und Website weltweit zugänglich war für Multiplayer-Spiele. Das heisst also, zumindest ab dem Jahre 2000, darf man das Multiplayer Spiel Galactic Empires von Walz, Leikauf und Vrkljan als ein tatsächlich veröffentlichtes Strategie-Simulationsspiel bezeichnen, das weltweit erreichbar war und das vor allem auch vielen späteren Veröffentlichungen im gleichen Genre in nichts nachsteht. Erstaunlicherweise läuft es heute noch perfekt und vermag Liebhaber des Genres noch immer zu überzeugen.
[1] Die Gaming Kürzel der drei Entwickler lauteten: JtW = Jonathan the Wise (Jochen Walz), KK = Königlich Kaiserliche (Peter Leikauf), PtC = Peter the Champion (Peter Vrkljan).
[2] Keypunch Software was founded by Paul Rinde in 1984 in St.Paul (MN). The company sold budget software mostly by mail and was known to make compilations of unlicensed games. Keypunch disappeared from the market in 1989. From 1988-2003, Paul Rinde worked for Infogrames in Minneapolis (MN). Over the years he held several key positions in the game industry, he was vice-president of Atari from 1998-2003, and from 2003 to 2011, he was the owner and CEO of Destineer. In 2011, the company was silently dissolved.
Quellen
jnby (2010). Galactic Empires – Apple ][c – Best Games You’ve Never Played. Youtube, 28.12.201, https://youtu.be/RbY7fNG_8qg?si=xFRoOCg3dJiCHSs2 , (09.09.2023).
Suter, Beat (2023), Gespräch mit Peter Vrkljan im Haus am Fluss, Zürich, vom 06. September 2023 (unpublished).
Suter, Beat {2024), Gespräch mit Jochen Walz und Peter Vrkljan in Walz Wohnung in Kreuzlingen vom 27. September 2024 (unpublished).
Vrkljan, Peter (2000), Video des Starts einer internationalen Session von Galactic Empires for Networks, Zürich, 26. November 2000 (unpublished).
Vrkljan, Peter (2023), E-Mail von Peter Vrkljan an Beat Suter vom 09. September 2023 (unpublished).
Walz Jochen (2024), Demonstration von GEn Galactic Empires for networks auf zwei Computern (für Peter Vrkljan und Beat Suter) vom 27. September 2024.
Walz, Jochen (2024a), E-Mail von Jochen Walz an Beat Suter vom 05. November 2024 (unpublished)
Ludologie
Galactic Empire (1984), forApple II, Paul Rinde, Keypunch Software. Auf 5 ¼ Floppy Disk: Strategy Simulations (1984), for Apple II.
Galactic Empires (GalEmp) (1984), for Apple II, Strategy Simulation Game by Peter Vrkljan (used with friends, unpublished).
Galactic Empires for networks (1995), Windows XP, Jochen Walz und Peter Leikauf (LAN version used with friends).
GEn Galactic Empires for Networks (2000), Windows, Internet Browser, Jochen Walz und Peter Leikauf: Website von Jochen Walz unter form.ch. http://www.form.ch/galactic_empires/,(09.09.23) (nicht mehr online erreichbar) (offline Version der statischen Seiten in Archiv CH-Ludens).
Gosh (1982), for Apple II, Strategy Game by Jochen Walz. Later enhanced version in JavaScript with webpage on form (2012).
Hamurabi (1978), for Texas TI 59 by Jochen Walz. Later enhanced version in JavaScript with webpage on form.ch (2012).
Metal Trader (1990), for DOS, Strategy Simulation Game by Peter Vrkljan (unpublished)
Strategy Simulations (1984), for Apple II, 5 ¼ floppy disk, Paul Rinde, Keypunch Software, Keypunch Software, St. Paul, MN. [1. Space Trek, 2. Galactic Empire, 3. Star Rebels, 4. Star Traders].