Richard M. Holmes und die Hochpreisinsel Schweiz

Black Legend – ein schweizerisch-britischer Verleger für Computerspiele

Von Beat Suter

Der Video Game Publisher Black Legend wurde 1992 in der Schweiz von Richard M. Holmes gegründet. Holmes lebte in Uster, war hier aufgewachsen und hatte gerade die KZO Wetzikon abgeschlossen. Der 20jährige Jungunternehmer wollte Spiele für Amiga Computer produzieren und auf den Markt bringen. Er sah sich in der Schweiz nach Mitstreitern um, fand aber bald gute Kontakte in England und wanderte schliesslich aus, um in den folgenden Jahren mit Black Legend für die Vertriebsgesellschaft Kompart einige gut laufende Spiele für Amiga und PC zu produzieren.


Richard M. Holmes wuchs in der Schweiz – im Zürcher Oberland – auf, hielt aber auch die britische Staatsbürgerschaft von seinem Vater. Er war gut in Mathematik und begann bereits als Teenager mit dem Programmieren und Konzeptionieren von Games. Nach dem Ende der Kantonsschule Zürcher Oberland (KZO) in Wetzikon hatte er eine Zeit lang in der Demoscene mitgemacht und kam so mit der Entwicklung von Videogames in Berührung. Er gründete 1992 in Uster die Firma Black Legend, die Spiele herausbringen sollte. Holmes war davon überzeugt, dass es genügend Entwickler mit ansprechenden Konzepten gab, mit denen er Spiele produzieren konnte. Es sollten nicht nur seinen eigenen Spiele sein. Er konzentrierte sich auf den Amiga Computer, der damals auf seinen Höhepunkt hinsteuerte. Seine Kontakte in der Demoscene versuchte er zu nutzen.

Start in der Schweiz

Er könne sich nicht mehr genau erinnern, sagt er in einem Gespräch 2024[1], aber er wäre damals mit Aargauer Developern in Kontakt gewesen, die ein Rollenspiel gemacht hätten. Nach Nachfragen wird klar, dass er die Leute von Nightmare Productions[2] aus der Umgebung von Aarau/Unterentfelden meint: Michael Wyler, Kjell Droz, Olivier Schraner, Stefan Degen, Daniel Chour, Kari Stadler und Berny Meyer. Sie hatten das Amiga Spiel Antares – der Griff nach den Sternen designt, das 1990 in Modula 2 (!) programmiert wurde und 1991 beim deutschen Vertrieb von Bomico Entertainment Software herauskam. Antares ist ein klassisches Rollenspiel in der Art von Bard’s Tale, das in einem Science-Fiction-Szenario spielt. Weltraumforscher sind im Jahre 2280 im Antares System verschollen. Ein Suchtrupp wird angegriffen und muss auf dem Planeten Kyrion landen und mehr über die Geschehnisse herausfinden. Holmes wollte mit der Crew von Nightmare Productions ein weiteres Rollenspiel herausbringen, das ebenfalls bereits in Planung war. Er kann sich selbst nicht mehr an den Namen erinnern. Der Sound Designer von damals, Berny Meyer hingegen erinnert sich noch an das unvollendete Projekt, das wie Antares ebenfalls bei Bomico hätte erscheinen sollen. Der Prototyp von 1991 hiess „Trumble“. Berny Meyer sagt dazu 2022: „Doch wir hatten noch ein weiteres Projekt „Trumble“ gestartet, aber wegen dem Bomico Vertragsfrust (80 Cent oder so pro verkauftes Exemplar) wurde dann nix mehr daraus.“[3] Das Projekt wurde aufgegeben.

Black Legend findet Entwickler in Osteuropa

Black Legend (Abb. 1) war ein Nachzügler in der Amiga Szene und trat erstmals in den Jahren 1992 und 1993 in Erscheinung. Der PC hatte damals schon einen beträchtlichen Teil des Marktes übernommen. Trotzdem war Amiga quasi auf dem Höhepunkt der Spieleproduktion angelangt. Bis Weihnachten 1993 kamen vier Spiele auf den Markt. Holmes hatte sich in den osteuropäischen Ländern umgesehen, die seit kurzem nicht mehr unter sowjetischer Kontrolle waren. Und er war fündig geworden in Kroatien, Ungarn und Estland. Dort gab es eine aufkeimende und unerschlossene Szene für Computer wie den Amiga mit einer blühenden Demoszene und viel Potenzial. Das Arbeitsklima war nicht so hektisch. Viele der Entwickler, die dann für Black Legend arbeiteten, haben das in Teilzeit oder als Freelancer gemacht. Sie sind in ihrer Heimat geblieben, wo die Kosten für Arbeit und Lebensunterhalt viel niedriger waren als in der Schweiz oder in London.

Abb. 1: Logo von Black Legend aus den Jahren 1993 – 1996. Source: mobygames

Eines der ersten erfolgreichen Spiele von Black Legend war eine Kooperation mit dem ungarischen Studio I/O Product. Das Spiel erhielt den komischen Namen Fatman: The Caped Consumer (1993) (Abb. 3) und war ein ‘Euro-Platformer’, ein Standard ‘Collect-em-up Platformer’, indem die Spieler einen originellen Superhelden spielen: Fatman. Das ist der Deckname für Roy Fat, einen sanftmütigen Erfinder, der sein Essen liebt. Die meisten seiner Erfindungen drehen sich ums Essen und seinen Magen. Seine vielleicht erstaunlichste Erfindung ist ein Food-Duplikator, der eine Kopie von jedem Lebensmittel anfertigen kann. Diese Erfindung machte Roy Fat’s Restaurant in der ganzen Welt berühmt. Sobald er sich in sein Superhelden Kostüm zwängt, nennt man ihn Fatman, den Schrecken aller Schlankheitsfarmen (Abb. 2). Überzeugen konnte vor allem die Musik. Das Gameplay war in Ordnung bis spassig, und das Ganze war sehr humorvoll umgesetzt.

Abb. 2: Fatman, the Caped Comsumer (1993), der Titel Screen des humoristischen Plattformers. Source: mobygames

Abb.3: Die Game Box von Fatman, the Caped Consumer (1993) mit einem einfachen Graffiti Schriftzug Source: Suter

Mit Moscow Nights (1993) brachte Black Legend eine Kompilation von 20 russischen Puzzle-Spielen von unterschiedlichen russischen Entwicklern auf MS-DOS heraus. Sie kam bei den Kritikern nicht so gut an, die Verkaufszahlen hielten sich in Grenzen. Sie enthielt aber zumindest auch das Spiel Drop-Drop (Abb. 4), die Originalversion eines Spiels, das später an Data East lizenziert wurde und dort zum All-Time Klassik-Puzzler Magical Drop mutierte.

Abb. 4: In Drop Drop muss man fünf Symbole übereinanderstapeln, damit sich eine Reihe auflöst. Drop Drop war eines der 20 Puzzlespiele auf Moscow Nights (1993). Source: PC Player

Eine weitere Kompilation war ebenfalls nicht wirklich erfolgreich. Hungary for Fun (1993) war eine Zusammenstellung von drei Puzzle-Spielen aus Ungarn: Logic, Zarcan und Kid Pool. Logic ist ein Spiel mit Chips wie in Vier gewinnt, das auf mehreren Ebenen gespielt wird. In Zarcan muss man Atome miteinander verbinden und in Kid Pool darf man Billard spielen.

Black Legend hatte sich auch an einem 3D-Shooter versucht, den das norwegische Studio Offence Software designt hatte. Hyperion (1993) wurde von den Kritikern entweder für eine Virus Nachahmung oder einen Zarch Klon gehalten, allerdings ein gut spielbarer. Die Spieler dürfen als Piloten 10 Missionen in einer Vektorgrafik Planetenwelt (Abb. 5) voller Feinden erfüllen, schwierig sind sie allemal.

Abb. 5: Hyperion (1993), ein 3D Vektorgrafik Shooter mit einer schwierigen Steuerung. Source: Youtube, screenshot Suter

Ein weiteres Black Legend Puzzle-Spiel war Statix (1994) vom deutschen Studio 7th-Sign. Es ist zwar ein weiteres Spiel, indem 3 Objekte verbunden werden müssen, jedoch ein recht originelles. Die Blöcke müssen nämlich auch eine Schaukel ausbalancieren während ihrer Einordnung (Abb.6). Dabei wird das alte Tetris-Konzept mit einer einfachen Balanciermechanik gepaart, die das Spiel herausfordernd und interessant macht.

Abb. 6: Statix (1994) vereint ein altes Tetris-Konzept mit einer Wippe, die ausbalanciert werden muss, wenn man die Gesteinsformationen einordnet. Source: Youtube, screenshot Suter

Weiter brachte Black Legend auch einen Dungeon Crawler RPG heraus. Crystal Dragon (1994) wurde vom britischen Studio Magnetic Fields entwickelt und war ein visuell gelungenes und ziemlich schwieriges Spiel (Abb.7). Die Kritiker allerdings waren nicht so überzeugt und gaben gute Wertungen fürs Gameplay, aber mittelmässige Bewertungen für Grafik und Sound ab.

Abb. 7: Crystal Drgon (1994) war ein in Grossbritannien beliebtes Dungeon Crawler RPG. Source: Suter

Bereits 1993 brachte Holmes mit Black Legend und Kompart die beiden C64-Spiele Summer Camp und Winter Camp von Thalamus für den Amiga auf den Markt. Für die Konversionen zuständig waren Lodestone Designs for Creative Materials (Pete Petriv und David Lowe) und Softeyes (Peter Opdam). Design und Verpackung hatte der in London sesshafte Schweizer Grafikkünstler Oliver Frey bereits für die C64er Version in seinem Comicstil gestaltet. Für die Amiga Version wurden seine Grafiken mit der sportlichen Maus Maximus ebenfalls fürs Cover verwendet – dies mit einem Zusatzrahmen für Black Legend. Die Kritiken für die Mäuse Olympiade waren nicht gerade erbauend, doch immerhin erhielt das Winter Camp (1993) gute Bewertungen für ein spassiges und humorvolles Gameplay, indem der heldenhaften Maus Maximus ständig Eisbären, Pinguine und Touristen in den Weg kommen (Abb.8).

Abb. 8: Die Amiga Version von Winter Camp (1993). Die Box kommt mit einem Rahmen von Black Legend und verwendet die ursprüngliche Illustration der C64 Version von Oliver Frey. Source: mobygames.

Erfolg mit Fussballspielen

Der eigentliche Erfolg für Holmes Game Verlag Black Legend kam mit dem Fussballspiel Football Glory, das er noch in der Schweiz konzipiert hatte und schliesslich mit dem kroatischen Studio von Croteam 1994 umsetzen und auf den Markt bringen konnte.  Kurz zuvor hatte Black Legend bereits mit Tactical Manager (1994) ein Fussball Management Spiel in England auf den Markt gebracht, in dem man die Leitung eines Teams der höchsten zwei englischen Spielklassen übernehmen konnte und die Kontrolle über Transfers, Taktiken und Trainingspläne hatte. Das Spiel liess sich mit bis zu 40 Leuten als rundenbasierter Multiplayer spielen. Der Erfolg dieses Spieles machte weitere Folgen möglich, fünf insgesamt. Dazu gab es auch eine erfolgreiche deutsche Version mit dem Titel Der Trainer (1994), die von Leisuresoft mit dem Logo von Black Legend vertrieben wurde (Abb.9).

Abb. 9: Die deutsche Version von Tactical Manager (1994) hiess Der Tainer (1994) und war auch in Deutschland ein erfolgreiches Fussball Management Spiel. Source: Suter

Aber Football Glory (1994) und seine deutsche Version Fussball Total (1994) (Abb.11) waren noch etwas erfolgreicher. Hier konnte man tatsächlich mit einem Team Aktionen auf dem Fussballplatz vornehmen: den Gegner takeln, den Ball führen, Pässe spielen, dribbeln und aus allen Lagen schiessen. Das Gameplay machte grossen Spass, weil ungewohnte Szenen möglich waren und jeweils ungewöhnlich viele Tore erzielt wurden. (Abb.10)

Abb. 10: Mitten im Spiel in Football Glory (1994): kleine wuselnde Pixel-Figuren, aber viel Spass durch ungewöhnliche Bewegungen, Spielzüge und unerwartete Events. Source: youtube

Abb. 11: Fussball Total (1994) war die deutsche Version des sehr erfolgreichen Spiels Football Glory (1994), das Richard Holmes mit Croteam aus Kroatien erarbeitet hatte. Source: Suter

Für die Umsetzung seines Konzepts fand Holmes das erwähnte kroatische Studio von Croteam[4] in der Vorstadt Utrina in Zagreb. Roman Ribaric, Davor Hunski, Dean Sekulic und Davor Perovic waren alle in die gleiche Schule gegangen; sie waren aktiv in der Demoscene und konnten coden. Sie hatten schon verschiedene non-kommerzielle Spiele gemacht für den ZX Spectrum und den Amiga – und das vor allem zum eigenen Spass. Nachdem Black Legend mit Croteam Kontakt aufnahm, verdoppelte sich die Grösse des Teams. Allen Ladavac, Tomislav Pongrac, Admir Elezovic und Marko Sekulic schlossen sich dem Croteam an (Abb.12). Die Zusammenarbeit mit Black Legend war ein Katalysator für die kroatische Szene. Es formten sich weitere kroatische Studios, und einige davon arbeiteten dann ebenfalls für Black Legend. Und die Entwickler von Croteam selbst designten dann auch einige weitere Spiele für Black Legend wie Embryo (1994) und Spherical Worlds (1996).

Abb. 12: Der Auftrag für Football Glory ging an Entwickler aus Kroatien. Black Legend initialisierte damit eine kroatische Videogame Geschichte. Hier der DOS-Titelscreen. Source: mobygames

Richard M. Holmes war damals überall in Osteuropa auf der Suche nach jungen Talenten. Das hatte sich herumgesprochen. Er sagt: “Das hat gut funktioniert. Du hattest eine Kombination von Leuten, die sehr gute Computerkenntnisse und Talent hatten, weil sie länger auf älteren Systemen gearbeitet hatten und dementsprechend ihre Bits und Bytes nicht überall verschwendet haben.” (Suter 2024) Und weiter: “Wir haben versucht, etwas enger mit ihnen zusammen zu arbeiten, so dass sie nicht einfach Spiele kopierten, sondern eigene Designs fanden. Und so kam es zu guten Spielen. Ich hatte dann drei Nummer 1 Hits in UK[5], und das hat dann auch mittels Lizenzen im deutschsprachigen Raum geklappt – und überall halt.“ (ibid.)

Tactic Manager kam im Juli 1994, Football Glory im November 1994 auf den Markt. Aber das Ende von Commodore zeichnete sich bereits ab. Es war auch eine schwierige Zeit mit verschiedenen Maschinenmodellen und Speichermedien. Holmes sagt dazu:  ”Es waren die letzten Jahre des Amigas. Es kam der 1200er raus, wir haben dann bei den Commodore-Bundles mitgemacht für den 1200er. Wir waren beim letzten Bundle noch dabei – und dann ging es bachab mit Commodore. Und wir mussten auf den PC umsatteln. Das Problem war in Grossbritannien auch, dass Virgin in die Branche einstieg und mit The 7th Guest (1993) ein Grossprojekt für den PC mit über 100 beteiligten Leuten produziert hatte. Es hat supergeil ausgesehen, aber du hast mehr Spielspass, wenn du einfach mit einem Stein spielst. Es hatte aber so geil ausgesehen und meine Geschäftspartner, die zehn Jahre älter waren als ich, haben gesagt, wir können da nicht mithalten – und bis 1996 haben sie dann die Firma [Black Legend] ausgenommen. So war es damals. Und ich, der 22jährige, hatte das nicht gemerkt. Und als nächstes ging die Bude pleite.” (ibid.) Dabei war zu jener Zeit Domark/Eidos Interactive an der Übernahme von Black Legend interessiert gewesen. Eidos war bereits an der Börse kotiert. “Und ich war perplex [über das unerwartete Ende] und dachte mir, jetzt muss ich doch wieder in die Schweiz, um zu studieren. Dann sagte aber meine Partnerin zu mir: wie war das mit Eidos? Sie waren doch sehr interessiert. Ruf sie doch am besten mal an. Dann rief ich den Ian Livingstone[6] an. Er fragte: wie geht es dir? Ich sagte: nicht so gut, am Montag gehen wir pleite! Und er sagte: Dann kommst du am Dienstag zu uns. Und dann war ich der European Product Manager bei Eidos Interactive, ein Jahr lang und habe in der Zeit einige Spiele eingebracht.” (ibid.)

Hochpreisinsel Schweiz

Bis dahin war Holmes aber bereits vollständig integriert in die britische Game-Industrie. Die Schweiz war Vergangenheit. Es war ihm nicht möglich gewesen, sich als Publisher zu etablieren trotz Kontakten. Er sagt: “Das Problem damals in der Schweiz waren die Kosten: die sehr hohen Kosten und Löhne in der Schweiz. Und die jungen Programmierer dachten jeweils auch, für so wenig Geld arbeite ich nicht, dann kann ich auch gleich im Migros arbeiten gehen.” Es konnte sich weder für den Entwickler noch für den Publisher rentieren. “Als Publisher kam es drauf an, für wieviel du ein Spiel eingekauft hast. Für ein Spiel, das im Laden 25£ kostete, bekamen wir 12£ oder 10£. Oder später noch weniger. Und davon musstest du alle Produktionskosten abziehen: Cartridges, CDs, Boxen, alles. Du konntest dann nicht 40’000 oder 50’000 auszahlen. Und in der Schweiz konntest du für die gleiche Summe kein Spiel zusammenstellen. Das war nicht möglich. Das war das Problem. Die Hochpreisinsel. Und einen Binnenmarkt für die Spiele hatte es in der Schweiz auch nicht.” (ibid.) Es seien auch nicht viele Spiele an den Verkaufsorten vorhanden gewesen. “Du hattest etwa fünf Amiga Spiele zur Auswahl im Manor. Meist hast du deine Spiele per Mail-Order bestellt und später dann online. Es hat sich aber auch keine ‘Sau’ dafür interessiert, woher diese Spiele kamen. Der Manor hatte auch keine Schweizer Produkte im kleinen Sortiment. Dort wusste auch niemand etwas von Schweizer Spielen. Es hat’s kein Laden ausgestellt oder verkauft.” (ibid.)

Die Spiele von Black Legend betrachtete Holmes nicht unbedingt als Schweizer Spiele. Den Gedanken hatte er sich nicht gemacht. Er sagt weiter: “Wir haben zuerst alles in der Schweiz angefangen, aber dann woanders weiter gemacht. Am oder kurz nach dem 1. August 1993 bin ich ausgewandert. Die Spiele waren teils zuvor schon in Produktion und zum Teil war zumindest schon das Game Design dafür entworfen. Das Spiel Football Glory[7] hatte ich zum Beispiel schon geschrieben, bevor ich überhaupt mit dem Entwickeln begonnen hatte.” (ibid.) Football Glory (1994) ist eines der drei Spiele von Black Legend, die es in den Bestseller Listen in Grossbritannien bis ganz nach oben schafften. Das Spiel hatte sich wohl gegen 100’000-mal verkauft. Retrogamer scheinen bis heute Gefallen daran zu finden, so hat einer von ihnen, Kim Justice, noch vor kurzem eine enthusiastische Review auf Youtube gestellt, in der er auch die Vorgeschichte von Holmes und Black Legend sowie dem Entwickler Team aus Kroatien aufgearbeitet hat.[8]

Das grosse Dilemma in der Schweiz seien immer schon Lohnkosten und Lebenshaltungskosten gewesen. Die Aargauer Developer von Nightmare Productions, mit denen Holmes Anfang 1990er Jahre zusammenarbeiten wollte, wären schliesslich ebenfalls daran gescheitert. Sie hätten noch an einem zweiten RPG gearbeitet, hatten aber keinen Publisher mit guten Konditionen gefunden und mussten schliesslich aufgeben. Man konnte die Produktionskosten in der Schweiz damals nicht bezahlen.

“Wenn du bedenkst, was damals 1991, 1992 der Mindestlohn in der Schweiz gewesen ist, dann ist das immer noch höher als der Mindestlohn in UK jetzt [heute]! 30 Jahre später! Das musst du dir mal vorstellen! […] Als Marketing-Leiter hatte ich mehr verdient als ich in England jetzt verdiene. Das hat sich nicht verändert. Man merkt es heute einfach eher, weil man die Informationen dazu hat und online einfach schauen kann, was wo wieviel kostet. Wenn ein Programmierer 25 Franken auf die Stunde wollte, konnte man das einfach nicht bezahlen als garantierten Lohn. Das war das Problem für viele damals.” (ibid.)

Deshalb sei es in den 1990ern in der Hochpreisinsel Schweiz nicht einfach gewesen, Spiele zu produzieren, meinte Holmes. “Und ich war nicht der Einzige, der auswanderte.” (ibid.) Er hätte jeweils auch ein paar andere Schweizer an den Messen [zum Beispiel die ECTS] und Ausstellungen getroffen, darunter wohl auch Markus Grimmer von LINEL, und mit ihnen diskutiert und über die Schweiz gesprochen. Es sei leider nie zu einem Deal mit LINEL gekommen. Er können sich aber nicht mehr erinnern, woran es gelegen habe. Wohl auch hier wäre die Kostenfrage ausschlaggebend gewesen, vermutet er.

Black Legend Spiele

Eine Liste mit Black Legend Spielen, die von Holmes bereits in der Schweiz aufgegleist worden sind oder sonst einen Schweizer Bezug aufweisen, umfasst die folgenden dreizehn Spiele, die in den Jahren 1993 und 1994 herauskamen:

Summer Camp (1993), (P) Amiga, Lodestone Design for Creative Materials, Black Legend.

Winter Camp (1993), (P) Amiga, Softeyes, Black Legend.

Moscow Nights (1993), Kompilation, Black Legend.

Hyperion (1993), Offence Software, Black Legend.

Hungary for Fun (1993), Kompilation, Black Legend.

Fatman, the Caped Consumer (1993), I/O Product, Black Legend.

Mega Motion (1994), Extended Design, Black Legend.

Statix (1994), 7th Sign, Black Legend.

Crystal Dragon (1994), Magnetic Fields, Black Legend.

Exploration (1994), DOS, Software 2000, Black Legend.

Embryo (1994), Beyond Arts, Black Legend.

Tactic Manager (1994), Talking Birds, Black Legend.

Football Glory (1994), Croteam, Black Legend.

Die beiden sehr erfolgreichen Fussballspiele wurden gleichzeitig auch als eigene Ausgaben auf Deutsch herausgegeben und von Leisuresoft im ganzen deutschen Sprachraum für Amiga und PC vertrieben:

Der Trainer (1994), Talking Birds, Black Legend.

Fussball Total (1994), Croteam, Black Legend.

Kurz nach der Gründung von Black Legend im Jahre 1992 hatte Holmes Steven Bailey von Kompart kennengelernt. Kompart war eine britische Vertriebsgesellschaft, die unter anderem mit Domark und Activision zusammengearbeitet hatte und gut funktionierende Vertriebskanäle in Nord- und Osteuropa aufgebaut hatte. Im August 1993 wurde Black Legend zu einem Teil von Kompart. Beide Unternehmen erhielten drei gemeinsame Geschäftsführer: Holmes, Bailey und Duncan Lothwian, der Baileys Geschäftspartner war. Dies war auch der Zeitpunkt, als Black Legend offiziell von Uster nach St. Albans in England übersiedelte. Kompart übernahm nun den Vertrieb, das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit, sodass sich Black Legend von nun an auf die Akquise und das Produzieren der Spiele konzentrieren konnte.[9]

Abb. 13: Voyages of Discovery (1994), UK-Version von Christoph Kolumbus (1994), einem Spiel von Software 2000, das Black Legend auf PC für den englischsprachigen Markt herausgab. Source: mobygames

Die ersten Spiele von Black Legend und Kompart erhielten gemischte Kritiken. Fatman, the Caped Consumer war ziemlich beliebt und verkaufte sich auch in verschiedenen Ländern, Moscow Nights hingegen nicht. Der Erfolg kam mit den beiden Fussballspielen in der zweiten Hälfte des Jahres 1994. Danach kamen auch grössere Kooperationen mit anderen Publishern zustande wie Sid Meier’s Civilization für Microprose und Christoph Kolumbus bzw. Exploration, Voyages of Discovery (Abb.13) für Software 2000. 1994 zog Black Legend nach Welwyn und eröffnete ein zweites Büro in Deutschland, in Mülheim an der Ruhr mit ehemaligen Mitarbeitern von Blue Byte. Black Legend hatte zwar auch vorher schon das eine oder andere Spiel für PC produziert, aber sich vorwiegend auf Spiele für Amiga fokussiert. Doch nun war die Zeit der Amiga Systeme allmählich vorbei. Beide Büros wurden 1996 geschlossen, nachdem Black Legend pleite gegangen war. Und die Geschichte des Game Publishers Black Legend war damit abgeschlossen.

IncaGold

Nicht aber die Geschichte von Richard M. Holmes als Game Producer und Game Publisher. Mit IncaGold[10] (Abb. 14) hat Holmes am 09.03.1998 (GmbH) in Uster (Kanton Zürich) und 1999 (plc)[11] in England nochmals eine eigene Firma gegründet, deren Zweck es war, Games zu produzieren und auf den Markt zu bringen. Nachdem er bei Eidos Interactive als Product Manager weitere Erfahrung sammeln konnte, hat er in den Jahren 1999 und 2000 nochmals etwa zehn Spiele produziert, die für das CH-Ludens Projekt relevant sind. Er hat aber mit seiner Firma und einigen weiteren Firmen auch in den Jahren danach zahlreiche Spiele auf den Markt gebracht, die meisten davon für den PC (Windows), einige aber auch für Konsolen. Zu den Spielen mit einem IncaGold Schweiz Bezug gehören:

Midnight Racing (1999), IncaGold Development, Brightstar Entertainment (Abb.15).

Traitors Gate (1999), Daydream Software AB, IncaGold GmbH.

Rat Attack (1999),Pure Entertainment Games, IncaGold GmbH.

Nelson Piquet’s Grand Prix: Evolution (2000), N-Side Software, IncaGold GmbH.

Missing on Lost Island (2000), Riki Computer Games, IncaGold GmbH.

Supercross Kings (2000), The Dawn Interactive, IncaGold GmbH.

Abb. 14: Logo von IncaGold, das in den Jahren 1998 – 2000 verwendet wurde. Source: mobygames

Abb. 15: Midnight Racing (1999) von IncaGold und BrightsStar in einer CD-Box. Source: Suter

Dazu gehören aber nach Aussage von Holmes auch einige Spiele, die er für den amerikanischen Markt produziert hatte, vorab mit dem Publisher ValuSoft, der teilweise auch Shovelware vertrieben hatte. Einige dieser Spiele kamen aber auch in Europa auf den Markt – und zwar mit den Labels von IncaGold und BrightStar.

Turkey Hunt 3D (1998), Fusion Digital Games ltd. and IncaGold ltd., ValuSoft Inc.

Deer Hunt 3D (1998), Flair Software and IncaGold ltd., ValuSoft Inc.

Fishing USA (1999), Flair Software and IncaGold ltd., ValuSoft Inc.

Jungle Legend (1999) Flair Software and Fusion, IncaGold ltd.

Autobahn Total (1999), IncaGold ltd., Brightstar Entertainment.

Abb. 16: In einer grossen Box steckt die CD-Jewel Box von Autobahn Total (1999) Source: Suter

Das Rennspiel Autobahn Total (Abb.16) hiess in den USA genauso und wurde etwas später unter demselben Titel auch auf dem deutschsprachigen Markt vertrieben. Vorbild war die deutsche Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Hier konnte man rasen ohne Konsequenzen gewärtigen zu müssen. Das Spiel wurde auf der Box auch so angepriesen: “Wollten Sie nicht schon immer mal auf der Autobahn so richtig zeigen, was in ihnen steckt, ohne dabei auf lästige Geschwindigkeitsbegrenzungen achten zu müssen? Endlich können Sie’s. Mit Autobahn Total haben Sie die Möglichkeit hemmungslos über Deutschlands Autobahnen zu rasen, ganz egal welcher Verkehr gerade herrscht. Die anderen Fahrer werden nur noch einen Wunsch haben, wenn Sie sehen wie Sie fahren: Mit heiler Haut wieder nach Hause zu kommen.“

Die beiden Jagdspiele Turkey Hunt 3D und Deer Hunt 3D (Abb.17) kamen 1998 nur in den USA auf den Markt. Sie weisen die gleiche Struktur auf. Die Spieler wählen ein Gewehr, ihre Bekleidung und einen Ort, an dem sie dann in der First-Person Perspektive in der Natur auf die Jagd gehen können. Die Spieler können sich 360 Grad drehen und in alle Richtungen bewegen. Umgebungsgeräusche werden als Gameplay Element genutzt. Hat man den Truthahn oder Hirsch geschossen, kann man sich die Trophäen in der Jagdhütte an die Wand hängen.

Abb. 17: Nach langem Warten und Pirschen ist der Hirsch im Fadenkreuz. Deer Hunt 3D (1998) wurde von ValuSoft nur in den USA vertrieben. Source: Youtube, screenshot Suter

Das Spiel Fishing USA (1999) funktioniert ähnlich. Hier kann man an drei verschiedenen Orten in den USA auf Fischfang gehen. Die Rückseite des Covers bewirbt das Spiel als die realistischste Erfahrung des Fischens, die man ausserhalb eines Bootes haben könne: “Add a secret weapon to your tackle box with Fishing USA. Designed to provide the most realistic fishing experience you can have without having to get in a boat.”

Auch Jungle Legend (1999) ist ein 3D-First-Person-Spiel, und zwar ein Actionspiel, das im Dschungel angesiedelt ist. Eine seltsame Krankheit breitet sich im Dschungel aus, tötet die Flora und macht die Fauna wahnsinnig. Im Adventure müssen die Spieler als Dschungelbewohner herausfinden, was vor sich geht, vier magische Steine finden und das Gleichgewicht im Land wiederherstellen. Das Jagdelement darf dabei nicht fehlen. Mit einfachen Waffen muss man sich gegen die Angriffe der verrückten Tiere wehren. Das Spiel kam in einer Version für die USA (Abb.18) sowie einer für Deutschland mit einem anderen Cover heraus. Die Kritiken waren leider nicht gut.

Abb. 18: Jungle Legend (1999), ein 3D Action Adventure Spiel für den Dschungel Rambo. Hier die amerikanische Version in einer Plastik-Klappbox mit Überstreif-Karton-Cover. Source: Suter

IncaGold bestand aus den beiden Firmen gleichen Namens in Zürich und auf der Isle of Man. Ihr Spielekatalog bestand zeitweise aus 1000 Titeln, die sie weltweit verkauften. Zeitweise hatten sie weitere Büros in Bratislava, Brasilien, Japan, Australien, Neuseeland und den USA. Brightstar Entertainment Ltd. war eine Schwestergesellschaft, die meist als Vertriebsgesellschaft für IncaGold fungierte.

Holmes ist 2009 als CEO der Firma IncaGold zurückgetreten und hat weitere Firmen gegründet mit Play Sunshine und Lolly. Die IncaGold Limited auf der Isle of Man wurde 2011 aufgelöst. Seit 2009 ist die übrig gebliebene IncaGold GmbH in Uster noch eine ‘Shell Company’ die weiterhin im Besitz der Familie Holmes geblieben ist (cf. Fussnote 11).

Richard M. Holmes selbst (Abb.19) ist heute noch aktiv mit seinem Unternehmen Lolly. Bis heute hat er in seiner Karriere über 400 Produkte weltweit herausgebracht und ist ein anerkannter Experte für Verkauf und Marketing von Videogames. Seine IncaGold plc war von 2005 bis 2009 an der Börse in London kotiert. Er war Gründer von Stiki Digital, einem Silicon Valley Startup und hat mit Videogames und Social Media Apps Promotion betrieben für grosse Brands wie Nestlé, Kellog’s und Yokohama. Von 2009 bis 2012 war er Gründer und Direktor des Computer und Video Games Entwicklungs- und Publishing Hauses Play Sunshine Ltd. in Grossbritannien und Bukarest, Rumänien.

Abb. 19: Richard M. Holmes in einem kurzen Promo-Video für Lolly Global Ltd. in 2024. Source: Website lolly, screenshot Suter

Sein aktives Unternehmen Lolly Global ltd[12]. ist Nachfolger von Play Sunshine (2009-2013) und Leading Locally Ltd. (2013-2020). Das Unternehmen bietet Dienste für Brands an, die die Beziehung der Kunden und Kundinnen mit den Brands intensivieren sollen und darauf zielen, diese Beziehung nachhaltig bzw. langlebig zu machen. Dabei setzt Holmes vor allem Apps ein, welche die Brands in der näheren Umgebung sichtbar machen und so erlauben, die Kundinnen und Kunden stetig mit neuen Informationen zu versorgen.

Seine Verbindungen zur Schweiz hält er weiterhin aufrecht. Er verbringt jeden Sommer mit seiner Familie in der Schweiz, arbeitet im Homeoffice und geniesst die Berge, und seine Eltern wohnen nach wie vor in Uster.


[1] Suter, Beat (2024). Gespräch am Telefon mit Richard M. Holmes. 15. Juli 2024. (unpublished)

[2] Im Gespräch konnten wir nicht abschliessend klären, ob die Leute, die Antares gemacht hatten, mit Richard in Kontakt standen. Die Vermutung hat sich aber in einer E-Mail vom 30. Juli 2024 bestätigt. See: Mobygames, Moby ID 54642. Antares. https://www.mobygames.com/game/54542/antares/, (22.07.2024).

[3] Bauer, René (2022). Zitat aus Tweet von Berny Meyer, https://vintagecomputing.ch/index.php?browseid=4228, (31.07.2024).

[4] Mobygames, Moby ID: 1732. Croteam. https://www.mobygames.com/company/1732/croteam/, (22.07.2024).

[5] Black Legend fusionierte mit Kompart UK, Ltd. und der Umsatz stieg 1994/95 auf 2,5 Millionen Pfund pro Jahr. Bei Kompart war Richard Entwicklungsleiter. Das Unternehmen veröffentlichte 1994 drei Nummer-1-Hits in den Charts (Football Glory, Tactical Manager und The Settlers). Siehe: Mobygames, Moby ID 86875. Richard M. Holmes. https://www.mobygames.com/person/86875/richard-m-holmes/, (22.07.2024).

[6] Mobygames, Moby ID: 14597. Ian Livingstone. https://www.mobygames.com/person/14597/ian-livingstone/, (22.07.2024).

[7] Mobygames, Moby ID: 2919. Football Glory. https://www.mobygames.com/game/2919/football-glory/, (22.07.2024).

[8] Justice, Kim (2024). FOOTBALL GLORY: The Sensible Soccer Challenger that Birthed Croteam. Youtube (22.06.2024), https://www.youtube.com/watch?v=n_TUnrIw-Yo, (19.07.2024).

[9] Cf. Wikipedia, Black Legend (Unternehmen), https://de.wikipedia.org/wiki/Black_Legend_(Unternehmen), (26.07.24).

[10] Auszug aus dem Handelsregister vom 01.08.2024:  IncaGold GmbH hat den Sitz in Uster und ist aktiv. Tätig ist sie im Bereich «Erbringen von IT-Dienstleistungen». Das Management der Firma IncaGold GmbH besteht aus %s Personen. Gegründet wurde die Firma am 09.03.1998. Alle Anpassungen am Handelsregistereintrag finden Sie unter Meldungen. Die letzte Anpassung erfolgte am 14.08.2009. Die Firma ist im Handelsregister ZH mit der UID CHE-104.259.394 eingetragen. Eingetragen ist die Frma auf James Thomas Holmes. 1998 wurde sie offiziell von Pamela Holmes gegründet. Richard M. Holmes war ab 20.09.2000 als alleiniger Geschäftsführer eingetragen. Am 24.02.2003 ist er offiziell wieder ausgeschieden. Seither ist James Thomas Holmes Geschäftsführer der IncaGold GmbH in Uster. Und seit 04.04.2005 ist INCAGOLD PLC, in Lezayre (Isle of Man/UK) stille Gesellschafterin. Domizil: Sonnenbergstrasse 71, 8610 Uster.

[11] IncaGold Limited, formerly IncaGold plc. resided in the Isle of Man, in Castletown. According to Isle of Man Companies House it was incorporated on July 29, 2003. The company was dissolved on March 8, 2011.

[12] Lolly Global Ltd. (2020), https://lolly.global/, (05.08.2024).

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